Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Feiertag
Religionsfrei - und schulfrei

Am 21. Juni ist Welthumanistentag, in Berlin ein anerkannter Feiertag. Erstmals können sich Schülerinnen und Schüler, die daran teilnehmen wollen, vom Unterricht befreien lassen. Der Beschluss ist zwar schon älter, aber die Kirchen tun sich noch immer schwer mit der Feiertagskonkurrenz

Von Claudia van Laak | 20.06.2016
    Menschen feiern den Welthumanistentag
    Menschen feiern den Welthumanistentag (Christoph Eckelt)
    Caroline Sattler hat morgen frei. Die 15jährige Schülerin aus Berlin ist in einer nicht-kirchlichen Familie aufgewachsen und Mitglied im Humanistischen Verband. Deshalb reicht ein kurzer Brief an die Schulleitung: Am sogenannten Welthumanistentag kann sie den Unterricht schwänzen. "Den Feiertag nutzt man ja halt, um die Interessen der eigenen Weltanschauung mal zu feiern. So. Ich weiß nicht, warum es da keine Gleichbehandlung geben sollte. Weil, Weltanschauung ist eben Weltanschauung, egal in welche Richtung", sagt sie.
    So sieht es auch der Berliner Senat. Egal ob Weltanschauung oder Religion, ob Islam, Juden- oder Christentum – für die rot-schwarze Landesregierung scheint alles gleich wichtig zu sein. Dem SPD-Bildungsstaatssekretär Mark Rackles ist diese Gleichbehandlung ein besonderes Anliegen: "Es geht ja nicht um irgendeinen Gedenktag, irgendeinen Tag X, der ADAC wird jetzt nicht kommen können. Das ist auch nicht etwas, was so in das persönliche Leben so stark eingreift. Quantitativ sind die Buddhisten, die Juden, die Hinduisten auch nicht große Gruppen, verglichen mit den großen Kirchengemeinschaften in Berlin. Wir reden jetzt nicht über groß oder klein. Sondern es geht um ein persönliches Bekenntnis. Und wenn es glaubwürdig unterlegt wird, ist der Staat gut beraten, wenn er sagt, wir behandeln Euch gleich."
    Auf Antrag schulfrei am 21. Juni – diese Regelung wird in diesem Jahr zum ersten Mal wirksam. Wie viele Kinder bzw. ihre Eltern Anträge auf eine Befreiung vom Unterricht gestellt haben, weiß niemand und wird auch nicht erhoben. Der Humanistische Verband hat in der Hauptstadt etwa 10 000 Mitglieder.
    Bildungsstaatssekretär Mark Rackles war früher Protestant, ist später aus der evangelischen Kirche ausgetreten und nun Mitglied im Humanistischen Verband – genau wie viele andere in der Berliner SPD. Dass breit gefasste Regeln zur Unterrichtsbefreiung – jeder kann an einem anderen Tag zuhause bleiben – zum Chaos an den Schulen führen, bestreitet er. "Das wird ja oft behauptet, dass alles zum Durcheinander an den Schulen führt. Aber ich glaube das nicht. Die Lehrkräfte und die Schulen sind eigentlich gut darin geübt, dass man so etwas vernünftig organisiert. Und ich bin sehr sicher, dass der 21.6. zu mehr Bereicherung führt und nicht zum Chaos."
    Bereicherung? Christoph Lehmann schüttelt den Kopf. Der engagierte Katholik ärgert sich schon lange über die Missachtung von Religion im Berliner Schulalltag. Die Hauptstadt geht nicht nur mit der Schulbefreiung für Atheisten einen Sonderweg. Religion ist schon lange kein reguläres Fach mehr, sondern wird am Nachmittag freiwillig und zusätzlich durch Angestellte der Kirchen unterrichtet. Wenn es um die Unterrichtsbefreiung am 21. Juni geht, wird Lehmann – Mitglied im Vorstand des Diözesanrates – geradezu polemisch: "Da muss man sich die Frage stellen, wo man die Grenze zieht. Da könnte ich genauso gut fragen, ob nicht die Kommunistische Plattform ihre Kinder befreien lassen kann am Geburtstag von Karl Marx. Sie können diese Beispiele endlos weiterspinnen. Ich glaube, da sind bestimmte Grenzen erreicht. Feiertagsregelungen sollten dem Konflikt zwischen kirchlichen bzw. religiösen Gesetzen einerseits und der staatlichen Schulpflicht andererseits Rechnung tragen und den Schülern eben ermöglichen, ihren religiösen Pflichten nachzukommen."
    Als Vertreter der katholischen Laien macht Lehmann einen deutlichen Unterschied zwischen Religionsgemeinschaften einerseits und Weltanschauungsverbänden andererseits. Ählich der evangelische Bischof von Berlin-Brandenburg Markus Dröge. Im Gegensatz zu den Katholiken stört sich der Protestant aber nicht grundsätzlich an der Schulbefreiung am Welthumanistentag. "Ich finde aber, dass zu dieser Freiheit auch eine inhaltliche Gestaltung gehört, und das ist, glaube ich, bei dem Humanistischen Verband das noch nicht richtig gefüllt", sagt der Bischof. "In Berlin wird eine einzige Veranstaltung, ein Gartenfest, angeboten. Ein Gartenfest für ganz Berlin. Das ist eine schöne Sache, wenn das der Humanistische Verband das anbietet, aber das ist nicht vergleichbar mit den christlichen Feiertagen."
    An der staatlichen Unterstützung für den Humanistentag wird auch deutlich, wie sehr katholische und evangelische Kirche in der Hauptstadt ins Hintertreffen geraten. Nur 3 von 10 Berlinern gehören einer christlichen Kirche an. Und die im Stadtstaat mitregierende Partei, die das C im Namen trägt, hat sich nicht weiter gegen die Unterrichtsbefreiung für Atheisten am 21.Juni gewehrt.