Public Private Partnership in Offenbach

Über den Tisch gezogen

Das Rathaus (l) in Offenbach
Rathaus in Offenbach: "Niemand hatte das gelesen, niemand wusste ganz genau, was da in den Verträgen detailliert drin steht." © imago/Volker Preußer
Von Ludger Fittkau · 03.02.2015
PPP, Public Private Partnership, galt als Allheilmittel für finanzschwache Kommunen, um so kostengünstig Schulen oder Straßen zu sanieren und zu erhalten. In Offenbach kam jetzt das böse Erwachen: Die Stadt muss Millionen von Euro drauf zahlen.
Es war 2004 eines der größten Public Private Partnership-Projekte Deutschlands. 88 Schulen im Landkreis Offenbach sollten binnen fünf Jahren mit privatem Kapital saniert werden. Anschließend übernahmen die Investoren noch zehn weitere Jahre lang den Betrieb der Schulen – samt Hausmeister und Energieversorgung. Dieser Vertrag läuft bis 2019. Eine Partnerschaft für die sich negative Folgen weit über das Vertragsende hinaus abzeichnen. Der Lokalzeitung "Offenbach Post" wurde ein bislang noch unveröffentlichtes, brisantes Gutachten des hessischen Landesrechnungshofes zugespielt.
Zitat aus der "Offenbach Post": "Durch diesen bundesweit beachteten Schritt hatte der Kreis Geld sparen wollen. Doch wenn die Prüfung der Experten zutrifft, ist genau das Gegenteil passiert: Man bezahlte viel zu viel – und hätte wohl Millionen gespart, wenn man’s selbst gemacht hätte. Insgesamt gab der Kreis, der mittlerweile Schulden in Höhe von über einer Milliarde Euro aufgetürmt hat, bis Ende 2013 für Sanierung und Unterhaltung seiner Schulen die unglaubliche Summe von 628 Millionen Euro aus. Die beteiligten Unternehmen werden (…) bis 2019 einen Gewinn von mehr als 120 Millionen Euro einstreichen."
Damit sei der Landkreis Offenbach von den privaten Investoren "über den Tisch gezogen" worden, so zitiert die "Offenbach Post" die Gutachter des Landesrechnungshofes. Landrat Oliver Quilling (CDU) nimmt dazu Stellung:
"Es gibt, ohne dass ich jetzt auf den Inhalt des Prüfberichtes zu sehr eingehen möchte, weil ich das noch nicht darf, in der jetzigen Prüfungsphase, aber so wie ich es jetzt herauslese, gibt es Kritik an der Gestaltung der Verträge. Also die Prüfer sagen, das hätte man auch nochmal etwas vorteilhafter zu Gunsten des Kreises ausgestalten können."
Nur die Grünen stimmten dagegen
Die Fraktion der Grünen im Kreistag des Landkreises Offenbach war 2004 die einzige, die gegen den Vertrag zur Sanierung und Betrieb der Schulen stimmte. Die Grünen sprechen nun von einem vorhersehbaren Scheitern des PPP-Projektes und fordern jetzt zunächst mal die rasche Veröffentlichung des Gutachtens. Der grüne Fraktionsvorsitzende Reimund Butz betont, man habe schon vor zehn Jahren nicht geglaubt, dass es bei den dem Kreistag vorgelegten Gesamtkosten von 780 Millionen Euro bleiben werde, sondern das es deutlich mehr kosten werde:
"Wenn man jetzt die Zahl nimmt, die in dem Gutachten voraussichtlich stehen wird, es gibt auch keine Äußerungen dazu, dass diese Zahlen falsch wären, auch vom Landrat nicht, dann ist davon auszugehen, dass die Gesamtausgabesumme nach den 15 Jahren über eine 1. Milliarde sein wird."
Die privaten Betreiber sowie Landrat Oliver Quilling weisen jedoch darauf hin, dass in dieser Summe Kosten enthalten seien, die der Kreis Offenbach vor zehn Jahren noch nicht voraussehen konnte. Etwa Kosten für den Ausbau des Ganztagschulangebotes. Das vor einer Dekade noch in den Anfängen steckte:
"Es gab sogenannte Flächenmehrungen, rund 23.000 Quadratmeter. Die gilt es natürlich zusätzlich zu bewirtschaften, das macht die Sache natürlich teuer gegenüber den ursprünglichen Verträgen. Und wir haben eine intensivere Nutzung der Schulen insbesondere am Nachmittag durch den Ausbau der Ganztagsschulbetreuung. Das kostet entsprechend Geld, Strom, Gas Wasser und Hausmeisterkosten."
Das bestreiten auch die Grünen nicht. Doch die PPP-Verträge umfassen aus ihrer Sicht viele Punkte, die zusätzliche Kosten verursachen. So seien alleine Beratungskosten in Höhe von rund zehn Millionen Euro angefallen, moniert Raimund Butz:
"Die Tatsache, dass zehn Millionen ausgegeben worden sind für Beratungsfirmen, die dann im Ergebnis dazu geführt haben, so wie es in der ´Offenbach Post` stand, dass der Kreis über den Tisch gezogen worden ist, weist darauf hin, dass da durchaus dicke Beratungsfehler entstanden sind. Denn ansonsten wären die Ausgaben nicht aus dem Ruder gelaufen, wie sie nun offensichtlich sind."
Die meisten Beratergelder bekamen offenbar Anwaltsbüros, die die komplizierten PPP-Verträge damals mehrfach prüften. Die Mehrheit der Kreistagsabgeordneten hätte damals diese umfangreichen Vertragswerke gar nicht gelesen, erinnert sich Sonja Arnold, Geschäftsführerin der Kreistagsfraktion der Grünen. Und ein Großteil der Verträge sei ohnehin nicht öffentlich zugänglich gewesen.
"Niemand hatte das gelesen, niemand wusste ganz genau, was da in den Verträgen detailliert drin steht. Und trotzdem hat man die Hand gehoben und ein stückweit fällt das jetzt auch dem Kreis auf die Füße."
TU Darmstadt war schlauer
Ein Wirtschaftsprofessor der TU Darmstadt war in den ersten Jahren für die wissenschaftliche Begleitung des PPP-Projektes im Kreis Offenbach verantwortlich. Er empfahl das Modell auch seiner eigenen Uni. Dort schaute man genau hin und rechnete mit spitzem Stift nach. Manfred Efinger, Kanzler der Darmstädter TU:
"Ja, wir hatten natürlich und haben immer noch einen riesigen Sanierungsstau. Wir wollten mit einer hohen Taktzahl diesen Sanierungstau abbauen. Das geht nicht alles mit laufenden Mitteln. Deswegen hatten wir uns an einem konkreten Bauvorhaben ein Angebot machen lassen für ein PPP-Modell. Und wir sind nach intensiver Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass es für uns nicht das richtige Modell ist. Wir fahren besser, wenn wir das in Eigenregie sanieren. Es war ein großes Sanierungsvorhaben. Wir haben es dann ein bisschen zeitlich nach hinten geschoben. Aber ich glaube es war die richtige Entscheidung."
Auch deswegen, weil die TU Darmstadt neben den Bauzuschüssen des Landes durch die Eigenregie auch problemlos andere öffentliche Fördertöpfe ausschöpfen konnte – etwa Konjunkturprogramme des Bundes.
Während sich der Kreis Offenbach vor zehn Jahren für das teure PPP-Modell entschied, bekam die TU Darmstadt fast gleichzeitig vom Land Hessen per Gesetz die sogenannte "Bau-Autonomie" zugesprochen. Das ist das Recht, auch große Bauvorhaben mit einer eigenen Bauabteilung selbst durchzuführen. Vor wenigen Tagen legte die TU Darmstadt ein Buch mit einer Bilanz dieser Bauautonomie vor.
"Ich bin froh, dass wir nach zehn Jahren wirklich eine Erfolgsstory vorweisen können."
Mehr als 50 große Bauprojekte wurden nämlich in diesen zehn Jahren umgesetzt. Schritt für Schritt. Meist pünktlich und weitgehend im geplanten Finanzierungsrahmen. Insbesondere aber ohne das Privatunternehmen womöglich ein Zehntel der Gesamtkosten als Profit abzweigten – wie es im Kreis Offenbach womöglich geschehen ist.
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