Protestforscher zu "Fridays for Future"

Härtere Gangart erforderlich

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02.08.2019, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: Demonstranten der Bewegung Fridays for Future protestieren in der Innenstadt.
Zwar keine durchschlagenden Erfolge in der Sache erzielt, aber immerhin hat Fridays for Future das Thema Klimaschutz auf die Agenda gesetzt. © picture alliance/Marius Becker/dpa
Dieter Rucht im Gespräch mit Dieter Kassel · 05.08.2019
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Ein schlichtes "Weiter so" kann es für die "Fridays for Future" nicht geben, warnt der Protestforscher Dieter Rucht. Sonst würde die Bewegung sowohl für die Medien als auch Teilnehmer langweilig. Eine Möglichkeit sieht Rucht in Aktionen zivilen Ungehorsams.
Anders als von manchen prognostiziert, hat die "Fridays for Future"-Bewegung die Sommerferien überlebt. Wenn auch mit deutlich geringerer Beteiligung. So seien beispielsweise vor Kurzem bei Greta Thunbergs zweitem Berlin-Besuch nur noch etwa 3000-4000 Teilnehmer dagewesen - gegenüber 25.000 beim ersten Mal, sagt der Soziologe Dieter Rucht, Vorstandsmitglied des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin.
Der Protestforscher rechnet damit, dass mit dem Ende der Schulferien die Teilnehmerzahlen bei Fridays-for-Future-Veranstaltungen wieder ansteigen. Ein schlichtes "Weitermachen wie bisher" könne es für die Bewegung allerdings nicht geben: "Das wird allmählich langweilig für die Medien, aber auch für die Teilnehmerinnen."

Fridays for Future muss sich etwas Neues einfallen lassen

Gegen diesen Abnutzungseffekt müssten Protestbewegungen sich etwas Neues einfallen lassen, sagte Rucht im Deutschlandfunk Kultur: "Noch mehr Leute auf die Straße bringen – oder auch eine härtere Gangart einlegen, sprich: ziviler Ungehorsam."
Vor dieser Frage stehe nun auch "Fridays for Future": "Sollen wir einfach brav, freundlich und nett weiterdemonstrieren? Oder sollen wir Betriebsabläufe des täglichen Lebens stören? Und da ist ja auch schon vollmundig von einem Generalstreik im September die Rede."
Das Foto zeigt den Soziologen Dieter Rucht, der seit vielen Jahren soziale Bewegungen und Protestkulturen erforscht.
Seit vielen Jahren erforscht der Soziologe Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin soziale Bewegungen und Protestkulturen.© picture alliance / Sophia Kembowski/dpa
Letzteres fände Rucht allerdings etwas hochgegriffen. Ohnehin habe "Fridays for Future" bisher keine durchschlagenden Erfolge in der Klimapolitik erzielt. Ein Teilerfolg sei aber, dass das Thema Klimaschutz jetzt seit Monaten in den Medien präsent sei.
Infolgedessen haben Politiker fast aller Parteien plötzlich den Klimaschutz für sich entdeckt - zumindest verbal. Das allerdings setzt Rucht zufolge die Politik dann wirklich unter Handlungsdruck:
"Wenn diese Diskrepanz bleibt zwischen den hohlen Worten oder Versprechungen und dem Nicht-Handeln, dann fühlen sich nicht nur die Leute von Fridays for Future bemüßigt, mehr Druck zu machen, sondern auch andere Gruppen."

Eine Notiz in den Geschichtsbüchern

Zurückhaltend äußert sich der Protestforscher zu der Frage, ob "Fridays for Future" nachhaltiger Erfolg beschieden sein wird. Er glaube nicht, dass die Bewegung auf hohem Niveau zehn Jahre präsent sein werde: "Aber eine Notiz in den Geschichtsbüchern oder den Schulbüchern ist das schon wert, dann rückblickend."
(uko)
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