Protest gegen Nike-Sponsorenverträge

Wer schwanger wird, bekommt weniger Geld

03:22 Minuten
Alysia Montano auf dem Weg zur Startlinie beim 800-Meter-Lauf der Frauen in Sacramento, Kalifornien, bei den Track and Field Championships am 22. Juni 2017
Alysia Montano nahm noch hochschwanger an 800-Meter-Läufen teil - aus finanzieller Not, wie sie sagt. © AP Photo / Rich Pedroncelli
Von Martin Ganslmeier · 01.06.2019
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Weniger Sponsorengelder bei Schwangerschaft: Immer mehr US-Athletinnen kämpfen gegen diese langjährige Praxis an. Sponsoren wie Nike geraten unter Druck, einige lenken bereits ein.
Es begann mit einem Bericht in der "New York Times". Darin schildern amerikanische Leichtathletinnen ihre frustrierenden Erfahrungen mit dem Hauptsponsor Nike. "Wenn Du schwanger wirst", beklagt 800-Meter-Läuferin Phoebe Wright, "dann ist dies der Todeskuss für eine Sportlerin". Schwangerschaft und Baby-Pause führten bislang fast automatisch zu einer drastischen Kürzung der Sponsorengelder – für Leichtathleten oft die einzige Einnahmequelle, von der sie leben können. Ein krasser Fall von Diskriminierung der Sportlerinnen gegenüber den Männern, kritisiert die mehrfache 800-Meter-Meisterin Alysia Montano:
"Die Sport-Branche ermöglicht Männern eine volle Karriere. Aber wenn Sportlerinnen ein Baby bekommen wollen, dann enden ihre besten Jahre."

Hochschwanger im Wettkampf

Alysia Montano sorgte vor fünf Jahren für weltweite Schlagzeilen, weil sie noch an 800-Meter-Läufen teilnahm, obwohl sie bereits im achten Monat schwanger war. Heute gesteht sie, dass dies aus purer finanzieller Not geschah. Ansonsten wären ihre Sponsorengelder deutlich gekürzt worden. Die 33-jährige Mutter sieht die Schuld nicht nur bei Nike, sondern auch bei den Sportverbänden:
"Wir werden nicht nur von unseren Sponsoren benachteiligt. Das Olympische Komitee in den USA beendet unsere Krankenversicherung, wenn wir während unserer Schwangerschaft nicht weiter Spitzenleistungen erbringen."
Wäre es bei den Protesten von Alysia Montano und Phoebe Wright geblieben, hätte sich womöglich nichts geändert. Doch dann geschah etwas Ungewöhnliches. Die sechsfache Olympiasiegerin und elfmalige Weltmeisterin Allyson Felix wandte sich ebenfalls an die Öffentlichkeit.

Auch Allyson Felix kämpfte mit Nike

Die Weltklasse-Sprinterin gehört zu den erfolgreichsten Leichtathletinnen in den USA und ist weit über ihren Sport hinaus bekannt. Im Sender CBS und in der "New York Times" berichtete Felix von ihrem eigenen Kampf mit Nike:
"Für mich war das ein Thema, bei dem ich nicht schweigen konnte. Ich musste meine Stimme erheben, damit sich hoffentlich überall in der Sport-Branche etwas ändert."
Im vergangenen November brachte Allyson Felix nach einem Not-Kaiserschnitt ihr erstes Kind zur Welt. In dieser Situation habe Nike ihren Sponsorenvertrag um 70 Prozent kürzen wollen - und das, obwohl sie als Weltstar jahrelang eine hervorragende Markenbotschafterin für Nike war. "Du wirst bestraft, weil du plötzlich Mutter bist", bringt es Felix auf den Punkt:
"Ich will erreichen, dass rund um eine Schwangerschaft die leistungsorientierten Gehaltskürzungen für Sportlerinnen wegfallen. Wir bitten einfach um etwas Nachsicht, wenn wir Kinder bekommen und anschließend versuchen, wieder unsere Top-Form zu erreichen."

PR-Desaster rund um den Muttertag

Allyson Felix ist alles andere als eine Rebellin. Umso mehr drohte Nike nach ihrer Kritik ein PR-Desaster. Denn noch Anfang Mai warb Nike in einem Hochglanz-Video zum Muttertag mit Tennis-Spielerin Serena Williams. Nikes Botschaft: Wir unterstützen Frauen und Mütter wie Serena Williams. Nike blieb praktisch nichts anderes übrig als einzulenken.
Künftig werde es im Unternehmen eine neue Richtlinie im Umgang mit schwangeren Athletinnen geben, hieß es. Schon Tage zuvor hatten andere Sponsoren angekündigt, künftig Spitzensportlerinnen während ihrer Schwangerschaft vor finanziellen Einbußen zu schützen.
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