Propaganda vom "permanenten Präventivkrieg"

14.03.2007
Die beiden Autoren Gilbert Achcar und Michael Warschawski vermengen in ihrem Buch über das Verhältnis zwischen Israel und Libanon nachvollziehbare Analyse mit schierer Propaganda. Das Ergebnis ist ein Pamphlet, das auch die Nähe zum Mythos der "jüdischen Weltverschwörung" nicht scheut.
Der Krieg zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah hat eine lange Entwicklung. Daher kommt der militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Kontrahenten im letzten Jahr - nach Ansicht der beiden Autoren Gilbert Achcar und Michael Warschawski - überregionale Bedeutung zu.

Eine Einführung in die Geschichte des Libanons und der Hisbollah steht am Beginn ihres schmalen Bändchens "Der 33-Tage-Krieg. Israels Krieg gegen die Hisbollah im Libanon und seine Folgen". Achcar und Warschawski sind ausgewiesene Kenner der Verhältnisse im Nahen Osten.

Gilbert Achcar ist Libanese und arbeitet in Paris für die angesehene Zeitung "Le Monde Diplomatique". Michael Warschawski wurde in Frankreich als Sohn eines Rabbiners geboren und zog nach Jerusalem. Er ist Gründer des "Alternative Information Center" und Mitglied der Friedensinitiative "Gush Shalom". Warschawski, ehemaliger Talmudschüler und Trotzkist, wurde in den 80er Jahren in Israel wegen "Unterstützung illegaler palästinensischer Organisationen" zu einer Haftstrafe verurteilt. Ihm verdankt sich das letzte der vier Kapitel im Buch, in dem er "die aktuellen Kriege Israels" als Teil des von den USA geführten "globalen, permanenten Präventivkrieges, der von den Neokonservativen geplant und vom Weißen Haus nach dem 11. September begonnen wurde", interpretiert.

Die Autoren richten ihr Hauptaugenmerk auf den strategischen und politischen Hintergrund des jüngsten Krieges zwischen Hisbollah und Israel. Und wagen einen Blick in die Zukunft. Sie prognostizieren einen erneuten kriegerischen Konflikt beider Parteien innerhalb der nächsten zwei Jahre und begründen das nachvollziehbar mit dem Verlauf der Kämpfe im vergangenen Jahr.

Israel, so ihr Befund - den sie mit zahlreichen Zitaten aus der israelischen Tagespresse stützen - sei geschwächt aus dem 33-Tage-Krieg, die Hisbollah hingegen gestärkt hervorgegangen. Zwar hätte Israel die militärische Auseinandersetzung von langer Hand vorbereitet, doch sei deren Zielsetzung unklar geblieben.

Erst habe man den entführten Soldaten befreien wollen. Dann sei die Zerschlagung der Hisbollah als Ziel angegeben worden. Schließlich hieß es, man wolle den Beschuss israelischer Dörfer und Städte unterbinden und letztendlich bemühte man sich, das Abschreckungspotenzial der israelischen Armee wieder herzustellen. Alle Ziele seien verfehlt worden.

Diese Einschätzung unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von der anderer politischer Beobachter. Mit ihrer Hintergrundanalyse aber verlassen Achcar und Warschawski den politischen Mainstream und driften weit nach links ab.

Verantwortlich für Israels Scheitern machen sie das Versagen der israelischen Nachrichtendienste, der Militärs und der Politiker. Sie alle seien Opfer ihrer "kolonialen Arroganz" geworden, der Unfähigkeit, den anderen zu verstehen. "Um des Überlebens willen strengt sich der Kolonisierte an, während sich der Kolonisator, auf seine Überlegenheit vertrauend, gehen lässt; daher ist er 'überrascht' und droht in seinen Unternehmungen immer häufiger zu scheitern." So erscheint der Libanon als eine Kolonie Israels, die mit modernen Waffen und Logistik ausgerüsteten Hisbollahkämpfer als findige Onkel Toms.

Der israelische Generalstabschef, so zitieren die Autoren israelische Presseberichte, habe am Vorabend des Krieges seine Aktien verkauft. Sie folgern daraus: "In der Ära des Neoliberalismus streben die Offiziere nicht mehr nach Ruhm und militärischem Erfolg, sondern fragen sich, wie sie noch mehr Geld scheffeln können." Deutlich offenbart sich in solchen Sätzen die kapitalismuskritische Grundüberzeugung der Autoren. So überrascht es nicht, dass sie Israel als Vertreter neokonservativer US-Interessen identifizieren.

Unbedarft begeben sie sich in Nähe des Mythos einer "jüdischen Weltverschwörung", indem sie suggerieren, israelische Neokonservative könnten hinter der US-Strategie des "globalen Krieges" stehen. Man kann etliche Einschätzungen der beiden Autoren nachvollziehen. Doch vergreifen sie sich in der Symbolik, wenn sie von Israel und den USA sagen: "Wir haben es mit einem zweiköpfigen Monster zu tun, auch wenn dessen eine Hälfte größer und stärker ist."

Der Ausdruck antizionistischer und antiamerikanischer Ressentiments macht die Analysen Achcars und Warschawskis zwar nicht gänzlich zunichte. Doch taugen sie eher für ein Pamphlet zum globalen Klassenkampf als zum Verständnis der komplizierten Interessenskonflikte in der Krisenregion. Und Sätze wie: "In den bisherigen Kriegen mit Israel hatte stets nur die Bevölkerung arabischer Länder gelitten..." sind schlichtweg Propaganda.

Rezensensiert von Carsten Hueck

Gilbert Achcar und Michael Warschawski: Der 33-Tage-Krieg: Israels Krieg gegen die Hisbollah im Libanon und seine Folgen
Aus dem Französischen von Birgit Althaler.
Edition-Nautilus, Hamburg 2007
92 Seiten, 10,90 Euro