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Immer gegen den Lehrplan

Regisseur Jakob Lass nach der Verleihung des Max Ophüls Preises
Regisseur Jakob Lass nach der Verleihung des Max Ophüls Preises © dpa / picture alliance / Oliver Dietze
Von Gerhard Richter · 05.08.2014
Bei Entstehung, Dreh und Verleih seines Films "Love Steaks" hat Regisseur Jakob Lass einige rote Ampeln ignoriert. Dennoch erhielt er den Max-Ophüls-Preis und den Förderpreis "Neues Deutsches Kino".
Jakob Lass: "Ich weiß gar nicht, wie viele von diesen roten Ampeln ich überhaupt gesehen hab. Vielleicht hab ich manche gar nicht entdeckt, dass da rote Ampeln sind. Und hab sie unwillentlich gebrochen, die Konventionen."
Jakob Lass lacht ganz unschuldig. Seine Low-Budget Produktion "Love Steaks" geht als preisgekröntes Werk in die Kinosaison. Der Erfolg legitimiert die eigenwilligen Grenzüberschreitungen. Und da gibt es gleich mehrere. Ganz gegen den Lehrplan der Potsdamer Filmhochschule hat der Regie-Student schon seinen zweiten langen Spielfilm gedreht.
"Was wirklich eine Provokation war innerhalb der Hochschule, weil das macht man eigentlich nicht. Da macht man einen Kurzfilm, wenn es hoch kommt."
Und auch der Dreh selbst war unkonventionell. In einem Hotel, in dem ganz normal gearbeitet wird, ohne zusätzliches Licht, mit den Angestellten als Nebendarsteller. Die beiden einzigen Schauspieler hatten kein ausgearbeitetes Drehbuch. Es gab nur ein dramaturgisches Skelett und ein paar Szenen als Angelpunkte. Dazwischen jede Menge Freiraum.
Mit Liebe zur Improvisation
"Platz für Szenen, die spontan entstehen, für Sachen, die sich vor Ort ergeben, für Momente, mit denen wir nicht gerechnet haben, für Unangekündigtes. Oder eben Sachen, wo wir gesagt haben, Wahnsinn, das bauen wir jetzt in den Film ein."
Diese Liebe zur Improvisation, zum hier und jetzt hat Jakob Lass vom Theater mitgebracht. Mit 17 absolviert der gebürtige Münchner eine Schauspielschule, arbeitet acht Jahre lang an bayerischen Bühnen:
"In dem Theater, in dem ich arbeiten durfte, gab es nicht viel Platz für das, was eigentlich spannend ist am Theater, nämlich, dass es hier und jetzt stattfindet."
Jakob Lass bewirbt sich an Filmhochschulen für das Fach Regie. Mehrmals wird er abgelehnt, dann bekommt er einen Platz an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Da ärgert er sich schon wieder über diese Arbeitsweise, die sich nur auf das Wiederholbare stützt.
"Die eben auch nicht damit umgeht, dass das spannende doch das Unerwartete ist, die Momente, die einmalig sind, die Momente, die im hier und jetzt stattfinden und das finde ich auch grad für Film superspannend, weil das ist als Medium perfekt dafür geeignet, einzigartige Momente einzufangen."
Wenig Geld, aber motiviertes Team
Nachdem er mit 17 der jüngste Schauspielabsolvent war, ist er jetzt mit 33 Jahren einer der Ältesten in der Regieklasse. Jakob Lass trägt Vollbart und Glatze, dazu eine goldene Brille mit großen Gläsern. Eine Mischung aus Kojak und Bud Spencer. Um seine studentischen Film-Ideen zu verwirklichen haben er und sein engeres Team jedes unnötige Korsett gemieden, also auch keine Filmförderung beantragt, weil die an Auflagen gebunden ist.
"Und andere Konventionen tatsächlich sind mir ein bisschen zu langweilig. Es gibt Sachen, an die muss man sich nicht klammern, die kann man auch anders machen."
Mit wenig Geld, aber einem Team, das hinter der Idee steht, dreht Jakob Lass in Ahrenshoop "Love Steaks". So wie man gerne Filme dreht: Höchstens acht Stunden am Tag und immer wachsam für die besondere Situation. So fängt er ganz nebenbei den Arbeitsalltag der Leistungsgesellschaft ein.
"Die relevanten Themen, die einen angehen, die einem wichtig sind, die kommen von selber, ich glaube gar nicht, dass man einen unwichtigen Film machen kann ... wenn man sich selber ernst nimmt."
Beste Regie, beste Produktion, bestes Schauspiel. Beim Filmfest in München räumt "Love Steaks" alle Preise ab. Selbst das Drehbuch, das es gar nicht gibt, wird prämiert. Weil kein Sender hinter dem Film steht und auch keine Filmförderung, kann Jakob Lass ihn vertreiben, wie er will.
"Im Spielfilm gibt es noch unglaublich viele Möglichkeiten, mit Sachen umzugehen. Die ich zumindest glaube, dass sie nicht mehr zeitgemäß sind."
Den Verleihern zu riskant, zu modern
Seine Lieblingsvariante heißt: "Day and date" - das heißt der Film kommt in die Kinos, wird als DVD angeboten und kann gleichzeitig kostenpflichtig im Internet heruntergeladen werden. So, wie man heute gerne Filme sehen möchte, sagt er. Jakob Lass selber hatte übrigens nie einen Fernseher, auch seine Eltern nicht. Für seinen Bruder und ihn waren Filme auch nie Dauerberieselung, sondern immer ein Event.
"Da haben wir uns auf unsere kleinen Fahrräder geschwungen und sind ins Kinderkino in Schwabing geradelt und da haben wir eine Menge toller Filme gesehen. Und das vielleicht auch mehr zelebriert, so. Und es wurde richtig von 16 mm gezeigt und es gab eine Pause, in der es Verlosungen gab. Und wir haben uns eine Spezi geteilt."
Lass möchte eine Serie drehen
Filmgucken á la Lass ginge heute so: Entweder man radelt ins Kino oder bestellt sich die DVD oder lädt sich den Film aus dem Internet. Für "Love Steaks" scheitert das Modell "Day and date". Die Verleiher sträuben sich, zu riskant, zu modern. Vor dieser roten Ampel bremst Jakob Lass und beugt sich den Konventionen. Der Film kam also ganz normal mit 30 digitalen Kopien in die Kinos - DVD- und Internetauswertung dann entsprechend später. Immerhin hat ein Musiklabel mit Streaming Erfahrung den Verleih übernommen. Jakob Lass ist aber schon wieder unterwegs zum nächsten Film.
"Ansonsten ist das richtig Tolle, dass wir im Team zusammen geblieben sind. Und wenn alles gut geht - toi toi toi - schon nächstes Jahr wieder drehen werden, also im Frühjahr soll es schon wieder weiter gehen."
Er denkt an eine Serie und die soll dann über VOD vertrieben werden. Video on Demand. Im Internet oder beim Pay-TV. Er ist bereits im Gespräch mit Bezahlsendern wie Sky. Er setze große Hoffnung in VOD, sagt Lass. Das würde ein extremeres Programm ermöglichen. Im Gegensatz zum herkömmlichen Vorabendprogramm, das zwar alle sehen können, aber niemanden wirklich interessiert.
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