Pro und Contra Kinderbonus

Richtiges Signal oder Schweigegeld für gestresste Eltern?

04:29 Minuten
Ein Kind schiebt einen Kinder-Einkaufswagen über einen Spielplatz.
Los geht es zum Einkaufen: Die 300 Euro Kinderbonus sollen Familien in Coronazeiten helfen und auch die Wirtschaft etwas ankurbeln. © dpa / Jens Kalaene
Kommentare von Anja Nehls und Henry Bernhard · 07.09.2020
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Den Kinderbonus können Familien gut gebrauchen, meint der Journalist Henry Bernhard, denn Kinder sind teuer. Seine Kollegin Anja Nehls findet den Bonus dagegen lächerlich: Ein funktionierendes Bildungs- und Betreuungssystem sei hilfreicher als Geld.

Pro Kinderbonus – Anerkennung jenseits freundlicher Reden

Von Henry Bernhard *)
Mit 300 Euro kann man keine großen Sprünge machen. Vielleicht sind sie sogar nur ein Symbol, ein Zeichen an die Familien: Wir haben Euch nicht vergessen. Für die Pfleger wurde geklatscht und getrommelt, über Eltern im Homeoffice mit Kindern im Homeschooling erschienen einfühlsame Reportagen.
Sie, nicht die hoch bezahlten Manager haben Deutschland durch die Krise getragen. Physisch wie emotional. Dafür gebührt ihnen Anerkennung jenseits freundlicher Reden und feuchter Händedrücke, die gerade ohnehin nicht geboten sind. Zumal die Wiederkehr des Homeschoolings wie ein Damoklesschwert tagtäglich über Eltern mit minderjährigen Kindern schwebt: Ein einziger Coronafall in Schule oder Kindergarten kann alle wieder in die Wohnung verbannen.

300 Euro können ein Tablet ermöglichen

300 Euro sind für die einen ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn sie etwa von Entlassungen, Pleiten, Kurzarbeitergeld betroffen sind. 300 Euro können aber zum Beispiel einen Ausflug oder ein Tablet finanzieren – für die Zeit, wenn die Schule mal wieder geschlossen hat.
Anders als sonst beim Kindergeld werden dieses Mal nicht auch noch bestehende Ungerechtigkeiten verschärft: Der Kinderbonus wird nicht mit Arbeitslosengeld oder Grundsicherung verrechnet. Am oberen Ende der Einkommensskala gilt dagegen: Die 300 Euro werden mit dem Kinderfreibetrag verrechnet, der regelmäßig dafür sorgt, dass Besserverdienende über die Freibeträge mehr vom Staat für ihre Kinder erhalten als Arme.

Der Kinderbonus trifft die Richtigen

Sicher werden nun die 300 Euro Kinderbonus per Gießkanne ausgeschüttet. Aber der lauwarme Regen trifft auf jeden Fall die Richtigen. Denn trotz Kindergeld und Freibeträgen gilt in Deutschland nach wie vor: Kinder zu haben ist ein teures Hobby.

Contra Kinderbonus – Schweigegeld für Eltern

Von Anja Nehls*)
Man könnte es auch Schweigegeld nennen. 300 Euro Schweigegeld für Eltern, die während monatelanger Schul- oder Kitaschließung neben dem eigenen Job noch ganz nebenbei die Kinder behüten, bespaßen und beschulen mussten. Und das letztlich auf Kosten des Bildungserfolgs für die Kinder und auf Kosten des eigenen Einkommens, weil nun mal nicht jeder staatlich finanziert einfach zu Hause bleiben konnte – und damit letztlich auf Kosten der eigenen Gesundheit.

Überlastung und Existenzängste

Gemeint ist damit nicht eine Coronainfektion, sondern Stress durch Überlastung und Existenzangst. Aber hey, 300 Euro und alles ist wieder gut, oder? Das Institut der deutschen Wirtschaft hat sogar eine Umfrage gemacht, ob Familien 20, 40 oder gar 70 Prozent des Geldes sparen würden oder doch eher für den Konsum ausgeben.
Lächerliche Frage bei insgesamt 300 Euro. Das ist der Gegenwert von gerade einmal einem Dutzend Nachhilfestunden oder einem halben Laptop für das Homeschooling. Der dann übrigens mangels Datenleitung der Schule oder mangels Lehrer nicht bestückt wird, weil Lehrer besonders oft zur sogenannten Risikogruppe gehören und dann eben voll bezahlt zu Hause bleiben können. Einige! Natürlich nicht alle!

Das Bildungssystem muss wieder funktionieren

Statt den Eltern 300 Euro zu bezahlen, sollte man zusehen, dass unser Bildungs- und Betreuungssystem wieder zuverlässig funktioniert. Das ist trotz Corona möglich, andere Länder machen es vor. Wenn das dann endlich sichergestellt sein sollte, könnte man mit 300 Euro in der Tasche schon richtig übermütig werden. Nur nicht zu sehr, deshalb wird das Geld nicht auf einmal, sondern in zwei Raten ausgezahlt.
Ach so, der Bonus soll natürlich analog zum Kindergeld bei der Steuer mit den Kinderfreibeträgen verrechnet werden. Was dazu führt, dass sogenannte Gutverdiener nichts von dem Extra haben. Was durchaus in Ordnung ginge, wenn die anderen dann mehr bekämen. Kriegen sie aber nicht. Das kriegt dann der Fiskus, also der Staat. Und der könnte das sparen, falls mal wieder neues Schweigegeld gebraucht wird.
Zahlen ist auch einfacher, als seine Hausaufgaben zu machen. Und Corona funktioniert als Ausrede ja mittlerweile für alles.

*) In der ursprünglichen Fassung waren die Namen falsch zugeordnet. Wir haben dies korrigiert.
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