Peter S. Beagle: "In Kalabrien"

Comeback eines Fabeltiers

Buchcover Peter S. Beagle: "In Kalabrien"
Der Bauer Claudio Bianchi lebt abgeschieden in den Bergen Kalabriens - bis eines Tages ein Einhorn auftaucht. © Hobbit Presse / picture-alliance/ ZB / Wolfgang Thieme
Von Elena Gorgis · 14.02.2018
Peter S. Beagle schrieb vor 50 Jahren "Das letzte Einhorn". Seitdem gilt er als Kultautor der Fantasy-Literatur. In seinem neuen Band "In Kalabrien" geht es nun wieder um dieses sagenumwobene Fabeltier. Kitschig, liebenswürdig, - entzückend.
Vor 50 Jahren erschien der Fantasy-Klassiker "Das letzte Einhorn" von Peter S. Beagle. Die Geschichte über das Einhorn, das seine verschwunden Artgenossen sucht, wurde unerwartet ein Hit und 1982 sogar als Trickfilm herausgebracht. Ein Hit war auch der Soundtrack, er bescherte der britisch-amerikanischen Band America ein erfolgreiches Comeback.
Seitdem gilt Peter S. Beagle als Kultautor. Allerdings zahlte sich der Hype um "Das letzte Einhorn" finanziell für ihn nicht so aus, dass er sich zur Ruhe hätte setzen können. Und so schrieb er Romane, Essays, Erzählungen, Sachbücher, Theaterstücke, das Drehbuch einer Star-Trek-Episode und ein Opernlibretto, trat außerdem als Folkmusiker und Chansonier auf.

Mehr als ein Fantasy-Roman

Immer wieder drängten ihn seine Agenten, über das Einhorn zu schreiben – vielleicht, um seinen größten Erfolg zu wiederholen, vielleicht aber auch, weil sie ahnten, dass Beagle dieses sagenumwobene Fabeltier zum Leben erwecken kann wie sonst keiner.
Die Literaturgeschichte ist voller Legenden über die Suche nach dem Einhorn, das, so steht es in der frühchristlichen Naturlehre "Physiologus", nur von einer Jungfrau gefangen werden kann. Im Mittelalter wegen seiner Heilkräfte verehrt, ist es mittlerweile ins Fantasy-Genre verbannt. Wenn nun auch in Beagles neuem Buch "In Kalabrien" ein Einhorn vorkommt, ist es nur logisch, dass auch ihm der Stempel "Fantasy" aufgedrückt wird.
Der Bauer Claudio Bianchi – nicht mehr ganz jung, aber noch lange nicht alt – lebt völlig zurückgezogen auf seinem Hof in den Bergen Kalabriens. Der einzige Kontakt zur Außenwelt ist der Postbote, der zweimal pro Woche mit seinem kleinen blauen Lieferwagen vorbeikommt. Nach außen rau und abweisend, hat Claudio innen natürlich einen weichen Kern. Denn warum sonst steht eines Tages – wie eine Marienerscheinung – das wundersamste aller Geschöpfe auf seinem Hof, das ausgerechnet bei ihm sein Fohlen zur Welt bringen will? Und warum sonst lässt sich die Schwester des Postboten einfach nicht abwimmeln? Frau und Einhorn stellen sein Leben gehörig auf den Kopf.

Die Mischung stimmt

Klingt kitschig? Absolut! Allerdings weiß Peter S. Beagle nach seinem langen Schriftstellerleben genau, wie er seine Stilmittel einsetzen muss, damit die Mischung stimmt. Er kombiniert den beschwerlichen Alltag des eigenbrödlerischen Claudio mit der alles durchdringenden, magischen Aura des Einhorns, sodass der Kitsch im richtigen Moment gebrochen wird. Wie zum Beispiel, als Claudio in tiefer Nacht bei strömendem Regen dem Einhorn bei der Geburt seines Fohlens hilft. Das Kleine liegt im Bauch verkehrt herum und Claudio greift kurzerhand – wie das ein Bauer in der Not eben tut – mit seinem kompletten, behaarten Arm ins strahlend goldene, anmutige Einhorn, um das Fohlen zu retten und ihm auf die Welt zu helfen. Ein Mann, der so etwas wagt, der wird auch mit anderen Dingen im Leben fertig.
Was also ist das für ein Buch? Ein Liebesmärchen? Ein Fantasy-Abenteuer? Ein Aussteigertraum für stressgeplagte Mittvierziger? Von allem ein bisschen. Es ist eine Geschichte, die einen einfach entzückt, wenn man bereit ist, das Unwahrscheinliche an sich heranzulassen. Oder wie Peter S. Beagle vermutlich sagen würde: Niemand, nicht einmal eine Jungfrau, kann das Einhorn fangen, das Einhorn entscheidet selbst, wem es sich offenbart.

Peter S. Beagle: "In Kalabrien"
Aus dem Amerikanischen von Oliver Plaschka
Hobbit Presse (Klett Cotta), Stuttgart 2018
164 Seiten, 16 Euro

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