Priya Basil über "Im Wir und Jetzt"

Mit Feminismus gegen den Kapitalismus

11:54 Minuten
Porträtfoto der Autorin Priya Basil
Ihr gehe es beim Feminismus nicht um möglichst viel Geld und hohe Positionen für Frauen, sondern um Solidarität, sagt Priya Basil. © imago images / IPON
Moderation: Frank Meyer · 04.03.2021
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Feminismus und Kapitalismus seien Gegensätze, behauptet Priya Basil in ihrem Buch mit dem Untertitel: "Feministin werden". Zugleich erzählt es von einer feministischen Aktion bei einer höchst kapitalistischen Modezeitschrift.
Priya Basils Buch "Im Wir und Jetzt – Feministin werden" macht eine interessante Spannung auf: Auf der einen Seite erzählt das Buch, Feminismus und Kapitalismus gingen nicht zusammen – dafür sei der Kapitalismus zu profitorientiert, schließe zu viele Menschen aus. Auf der anderen Seite erzählt das Buch aber, wie eine Gruppe von feministischen Frauen bei einer Modezeitschrift mitmacht, also bei einem ausgesprochen kapitalistischen Projekt. Insgesamt setzt sich das Buch mit vielen Widersprüchen im feministischen Denken auseinander.
Im ersten Teil des Buches geht es darum, was Priya Basil geprägt hat: Bücher, feministische Theorien, Selbstbefragungen und zwei Frauen, ihre Mutter und ihre Großmutter Mumji. "Ich bin aufgewachsen in einer Familie, in der das Wort Feministin keine Rolle gespielt hat", sagt Priya Basil. Sie wurde 1977 in London als Tochter indischstämmiger Eltern geboren. Als sie ein Jahr alt war, zog ihre Familie nach Ostafrika. Sie wuchs in Kenia auf und ging später zum Studium nach Großbritannien. Seit 2002 lebt sie in Berlin.
Ihre Großmutter und ihre Mutter seien Opfer sexuellen Missbrauchs gewesen, sagt Basil. Sie seien sehr unterschiedlich damit umgegangen. Die Großmutter war sehr laut und dominant, die Mutter sehr leise.
Sie selbst habe in Bezug auf die beiden bemerkt, erzählt Priya Basil, "dass sie nicht füreinander da waren, sie waren nicht solidarisch, sie haben einander nicht geglaubt". Dabei hätten die Werte der Familie eine Rolle gespielt: Kontrolle, Konformität und Loyalität. So hätten die Frauen ihre Erlebnisse nicht ausdrücken können. "Ich habe mich gefragt, gibt es eine andere Art von Gemeinschaft, von Kollektiv, wo es um andere Werte geht? Um Vertrauen, um Verständnis, um Wagnis." Sie habe sich ein Leben lang nach einer solchen Gemeinschaft gesehnt und sie dann auch gefunden – in der Gesellschaft anderer Feministinnen.

Solidarität statt Geld und Aufstieg

Obwohl für Basil Feminismus und Kapitalismus nicht zusammen gehen, hat sie zusammen mit 38 weiteren Frauen bei einem sehr kapitalistischen Projekt mitgemacht, eine Ausgabe der Modezeitschrift "Vogue" zu gestalten – und davon erzählt sie in ihrem Buch.
"Ich weiß, es klingt ein bisschen widersinnig", sagt die Autorin. Überzeugt habe sie, dass es ein Gemeinschaftsprojekt gewesen sei und dass das Geld gespendet wurde. Der liberale Feminismus, der darauf setze, dass Frauen möglichst viel Geld verdienen und in Führungspositionen aufsteigen, sei nicht ihr Weg. Der Kern des Feminismus sei für sie: "Man muss immer bereit sein, die eigenen Positionen und Ziele und Annahmen zu hinterfragen – und nicht denken, wenn ich profitiere, das reicht; sondern immer zu denken, wer ist dadurch benachteiligt."

"Handeln, als ob die Gleichheit schon da ist"

"Natürlich steht so eine Zeitschrift für Sexismus, Rassismus, Kapitalismus. Aber wir haben uns davon nicht erschrecken lassen. Wir haben gedacht, wir handeln, als ob die Gleichheit schon da ist. Wir handeln, als ob alle Möglichkeiten für uns offen stehen."
Es sei immer eine Gefahr, benutzt zu werden als eine Art Feigenblatt. Doch es sei wichtig, welche Spuren man in der Welt hinterlasse. Das Heft, das sie gemacht hätten, zeige die Schönheit aus Solidarität. Von den Klischees, die normalerweise in solchen Zeitschriften zu finden seien, sei es weit weg.
Handlungsfähigkeit, über die schon Virginia Woolf vor mehr als hundert Jahren geschrieben habe, sei oft ein Thema bei Frauen. Sie habe versucht, diese Handlungsfähigkeit durch eine Vielstimmigkeit zu zeigen; aus den verschiedenen Eindrücken der Frauen, die an diesem Projekt beteiligt waren, ein großes Bild zu machen.
(abr)
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