Pressefreiheit in Kuba

Im Visier des Sicherheitsapparats

03:59 Minuten
In einem Park in Havanna sitzen zwei junge Männer, die mit ihren Handys und einem Laptop im Internet sind.
Verbindung im Park: In Kuba sind an öffentlichen Plätzen Internet-Hotspots eingerichtet. © Imago / Xinhau / Joaquin Hernandez
Von Peter B. Schumann · 30.05.2019
Audio herunterladen
Nur wenige Kubaner haben einen privaten Internetzugang. Das soll sich künftig ändern. Eine gute Nachricht für den Onlinejournalismus vor Ort? Nur halb: Zwar steigt die mögliche Reichweite - doch die Regierung hat die Reporter genau im Blick.
"La Hora de Cuba – das ist die Stunde der Information, der Meinung und der Freiheit." So stellt sich die nur auf Facebook erscheinende Onlinezeitschrift in ihrer Kopfzeile vor. Sie gehört zu den wenigen oppositionellen Medien, die in der kubanischen Provinz existieren und über die dortige Situation berichten, in diesem Fall aus Camaguëy, der viertgrößten Stadt der Insel.
Henry Constantín gibt sie mit einer Handvoll Gleichgesinnter heraus. Der heute 35-Jährige hat als Student seine rebellische Haltung entwickelt, als er von drei Universitäten relegiert wurde:
"Deshalb habe ich 2013 zusammen mit einer Gruppe von Freunden, die keine Publikationsmöglichkeiten fanden, diese Zeitschrift gegründet. Hier konnten wir endlich schreiben, was wir wollten. 'La Hora de Cuba' ist eines von drei journalistischen Projekten, die von jungen Leuten aufgebaut wurden. Wir konnten dafür die wenigen Spielräume nutzen, die uns das Internet bietet."
So Henry Constantín im TV-Programm der Washington Post.

Interviews müssen von der Regierung genehmigt werden

Doch je öfter das digitale Blatt wegen seiner kritischen Berichterstattung frequentiert wird, desto häufiger die Schikanen. Das Regime duldet keine Gegeninformation wie beispielsweise Reportagen und Fotos über das "Inferno des Transportwesens" oder die dramatischen Folgen der wieder verordneten Lebensmittelrationierung. Um Ähnliches zu verhindern, wurde vor kurzem ein Gesetz erlassen, nach dem jeder bestraft werden kann, der ohne Erlaubnis Interviews im öffentlichen Raum macht.
Hinzu kommt im Fall von "La Hora de Cuba", dass Henry Constantín Regionalvertreter der "Interamerikanischen Gesellschaft für Pressefreiheit" (SIP) ist. Deshalb steht er sowieso ständig im Visier des Sicherheitsapparats:
"Als ich vor einiger Zeit von Camagüey nach Havanna fliegen wollte, nahm mich die Polizei fest und verfrachtete mich in eine dieser ekelhaften Arrestzellen zusammen mit Kriminellen. Ein Offizier der Staatssicherheit klagte mich wegen 'fortgesetzter Akte von Feindpropaganda' an, die man auf konfiszierten Laptops, Sticks und Handys gefunden hätte. Dann drohte er mir: Wenn ich so weitermachte, würde ich ihre 'eigentlichen Instrumente' kennenlernen, zum Beispiel in Beugehaft genommen. Das war eine psychische Folter, die 36 Stunden dauerte. Am Schluss zerstörten sie meine Handys."
So Henry Constantín in einem Telefoninterview mit "Radio Martí" in Miami.

Mit dem Tod bedroht

Solche Praktiken erfahren viele oppositionelle Journalisten immer wieder. Dennoch machen sie weiter – selbst dann, wenn sie mit dem Tod bedroht werden – wie der Herausgeber von "La Hora de Cuba" Anfang Mai:
"Ein Fahrradfahrer mit einer Machete fuhr offensichtlich betrunken vor unser Haus und schrie, er wolle mich töten, weil ich einen Artikel über einen pädophilen Lehrer publiziert hätte. Damit sollte ich wieder einmal eingeschüchtert werden, dabei war das Ganze offensichtlich inszeniert."
Tatsächlich hatte "La Hora de Cuba" den Skandal um einen Grundschullehrer aufgedeckt, der seit Jahren Kinder missbraucht hatte. Darüber waren zwar öfters Gerüchte zu hören, aber die Staatssicherheit, die sonst jede Bewegung von Dissidenten festhält, ignorierte sie, denn der Lehrer war ein angesehenes Parteimitglied.

"Wir wollen ein Land des 21. Jahrhunderts sein"

Das Regime erfindet immer neue Methoden, um die unabhängige Presse zu schikanieren. Aber zerstören lässt sie sich nicht mehr. Denn sie vertritt wie Henry Constantín und seine Redaktion andere Grundsätze als die herrschenden.
"Wir wollen Freiheit, um das zu tun, was wir möchten. Wir wollen ein Land, in dem wir auf die Straße gehen können, um zu protestieren. Wir wollen ein Land des 21. Jahrhunderts und nicht dieses, dessen Ideologie im 19. Jahrhundert verhaftet ist. Mit einer Technologie des 21. Jahrhunderts. Und mit den besten westlichen Werten und nicht mit denen, die uns andere Länder oktroyiert haben."
Mehr zum Thema