Pressefreiheit

Ärger mit der Staatsduma

Ein Demonstrant der Organisation "Reporter ohne Grenzen" steht am 04.02.2014 vor der russischen Botschaft in Berlin. Er hält ein Schild hoch mit dem Text: "Ohne Pressefreiheit bleiben Opfer unsichtbar. Mit ihrer Hilfe können wir etwas dagegen tun.
Ein Demonstrant der Organisation "Reporter ohne Grenzen" vor der russischen Botschaft in Berlin. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Gesine Dornblüth · 04.02.2014
Seit "Doschd" das Tabu gebrochen hatte, über Versäumnisse oder gar Verbrechen der Roten Armee zu sprechen, nahm eine Kampagne gegen den TV-Sender ihren Lauf. Der größte russische Kabelanbieter nimmt "Doschd" nun aus dem Angebot - und bedroht damit seine Existenz.
Natalja Sindejewa ist von Natur aus optimistisch, deshalb heißt auch ihr Fernsehsender so: "Doschd-TV", Regen-Fernsehen, mit dem Zusatz: "Der optimistische Kanal“. Bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz musste die Direktorin des Senders dennoch Düsteres verkünden.
"Wenn Trikolor TV uns abschaltet, dann bedeutet das den Tod unseres Senders. Wir haben nicht mehr genügend Werbeeinnahmen, wenn wir so viele Zuschauer verlieren. Wir gehen schlichtweg pleite."
Trikolor TV ist der größte Kabelanbieter Russlands. Er hat am Montag angekündigt, "Doschd" Anfang nächster Woche aus seinem Paket zu nehmen. Von ursprünglich 17 Millionen Haushalten russlandweit erreicht der Kanal dann nur noch zwei Millionen. Der unabhängige Sender existiert erst seit knapp vier Jahren, ist noch in der Aufbauphase und fährt bisher noch Verluste ein. Die Macher sprechen von einer planmäßigen Vernichtung. Direktorin Sindejewa:
"Grund dafür ist unsere Unabhängigkeit. Uns kann man nicht anrufen und sagen: 'Dein Chefredakteur hat dies oder jenes getan, willst du den nicht besser feuern? Wenn du das nicht machst dann ...' Wir sind nun mal der einzige wirklich unabhängige private Fernsehkanal in Russland."
Vorwurf: "Das heilige Gedenken an den Krieg beleidigt“
Auslöser für den Wirbel um "Doschd" war eine Umfrage anlässlich des 70. Jahrestags der Aufhebung der Leningrader Blockade Ende Januar. Während der zweieinhalb Jahre währenden Einkesselung durch die Wehrmacht waren etwa eine Million Menschen verhungert. Der Sender hatte seine Zuschauer gefragt, ob die Stadt hätte kapitulieren sollen, um Menschenleben zu retten. Eine hypothetische Frage – die Wehrmacht hatte den Befehl, eine eventuelle Kapitulation nicht anzunehmen. Vor allem aber eine unmoralische Frage, fand unter anderem Kulturminister Wladimir Medinskij und twitterte, es seien "keine Menschen“, die solche Fragen stellten.
Das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg ist in Russland von Heldenkult geprägt. Über eventuelle Versäumnisse oder gar Verbrechen der Roten Armee zu sprechen, ist tabu. Prompt ereiferten sich auch Abgeordnete der Staatsduma, schürten die Welle der Empörung, orchestriert von den Staatssendern. "Doschd" habe – Zitat – "das heilige Gedenken an den Krieg beleidigt“, wetterte die Abgeordnete Irina Jarowaja. Solches Verhalten müsse als Verherrlichung des Nationalsozialismus geahndet werden. So nahm die Kampagne ihren Lauf. Und prompt nahmen die ersten Kabelanbieter Doschd aus ihrem Angebot – entgegen bestehender Verträge. Das geschah unter Druck, vermutet der Eigentümer des Senders, der Geschäftsmann Alexander Vinokurov.
"Es gibt Leute, die unbedingt einen Anlass finden wollten, uns zu schließen. Es hätte auch jeder andere sein können."
Politiker gehen gegen TV-Kanal vor
Die Direktorin Sindejewa sagt, der Ärger habe bereits begonnen, nachdem "Doschd" vor einigen Monaten über Korruptionsvorwürfe gegen einen ranghohen Kreml-Beamten berichtet hatte. In den vergangenen Wochen informierte der Sender zudem ausführlich über die Ereignisse in Kiew. Anders als die staatskonformen Sender, kamen dabei auch Anhänger der Opposition zu Wort. Unterdessen unternehmen russische Politiker weitere Schritte gegen den Kanal. Ein Duma-Abgeordneter will prüfen lassen, ob "Doschd" überhaupt legal gesendet habe, und will die Staatsanwaltschaft einschalten. Die Mitarbeiter des Senders arbeiten derweil weiter wie bisher.
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