Premiere abgesagt

Wird der russische Theatermacher Kirill Serebrennikov verleumdet?

Der russische Theater- und Filmregisseur Kirill Serebrennikov in Moskau.
Dem russischen Theater- und Filmregisseur Kirill Serebrennikov wird vorgeworfen, Steuergelder veruntreut zu haben. © picture alliance / dpa / Valeriy Melnikov
Gesine Dornblüth im Gespräch mit Janis El-Bira · 15.07.2017
Statt glanzvoll die Premiere seiner neuen Produktion "Nurejew" zu feiern, muss sich Serebrennikov mit dem Vorwurf auseinandersetzen, Steuergelder zu veruntreuen. Die Journalistin Gesine Dornblüth erklärt, was an den Vorwürfen dran ist.
Am altehrwürdigen Moskauer Bolschoi-Theater war eigentlich schon alles angerichtet für eine der glanzvollen Premieren des Hauses. Am Dienstag dieser Woche hätte sich der Vorhang für die Produktion "Nurejew" über das Leben des großen Tänzers Rudolf Nurejew heben sollen. Aber daraus wurde nichts.
Am vergangenen Samstag erklärte die Leitung des Theaters nach der Generalprobe überraschend, dass man die Premiere absagen müsse. Ein Schock für den in Russland umstrittenen Regisseur der Inszenierung, Kirill Serebrennikov – allerdings nicht der erste in diesem Jahr.

Ermittlungen gegen das Gogol-Zentrum

Denn seit einiger Zeit laufen darüber hinaus Ermittlungen gegen Serebrennikovs Theater, das Gogol-Zentrum. Russische Behörden bezichtigen es der Veruntreuung von Steuergeldern.
Die Journalistin Gesine Dornblüth war bis 2017 Moskau-Korrespondentin des Deutschlandradios. Im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur erklärt sie die Hintergründe des "Falls Serebrennikov" und fasst zunächst einen russischen Medienbericht über Eindrücke aus der Generalprobe der anschließend abgesagten Premiere zusammen:
"Was wir demnach wissen: Das Ganze ist für Serebrennikov typisch eine Mischung aus Ballett, Oper und Theater. Es geht um die Highlights aus dem Leben Nurejew. Und eines der Hauptthemen ist tatsächlich die homosexuelle Beziehung zu seinem langjährigen Lebenspartner, dem Tänzer Erik Bruhn. Es geht natürlich auch um die Flucht Nurejews. 1961 hat er sich abgesetzt bei einem Gastspiel in Paris. Das ist so gelöst: Auf der Bühne steht ein Chor. Serebrennikov bedient sich da sowjetischer Klischees, das sind so mächtige, stämmige Frauen mit Kopftüchern, die singen einen Refrain: 'Man sucht sich sein Vaterland, seine Heimat nicht aus.'"

Scharfe Kritik

In dieser kremlnahen russischen Presse sei dieser Ansatz, so Dornblüth, auf scharfe Kritik gestoßen. Ein Autor etwa schreibe, er sehe die Ikone Nurejew beschädigt, in den Dreck gezogen. Die Konzentration auf dessen Homosexualität sei es nicht wert, auf der Bühne dargestellt zu werden. Serebrennikovs Sprache sei nur noch peinlich und es sei ganz klar, dass die Zeit Serebrennikovs dem Ende entgegen gehe.

Für Dornblüth stehen die Premierenabsage und die Vorwürfe gegen Serebrennikov in Zusammenhang mit dem seit langem schwelenden Konflikt um die vermeintliche Veruntreuung von Fördergeldern an Serebrennikovs Theater, dem Gogol-Zentrum:
"Es hat Durchsuchungen am Gogol-Zentrum gegeben und zwar geht es darum: Das Gogol-Zentrum, beziehungsweise Serebrennikov, hat selber noch eine nicht-kommerzielle Organisation für Theaterstudenten, das heißt das Siebte Studio. Und die Staatsanwaltschaft und die Ermittler unterstellen den Verantwortlichen dieses Siebten Studios, sie hätten die Fördergelder unterschlagen."

Bizarre Anschuldigungen

Im Zentrum der Ermittlungen steht der bizarre Fall einer Inszenierung des "Sommernachtstraums", die es nach Aussage der Ermittler nie gegeben habe – obwohl nachweisliche mehrere Vorstellungen und sogar Gastspiele im Ausland stattfanden. Für Dornblüth ist damit auch in Russland der Versuch autoritärer Regierungen, ihr eigenes System kompromisslos zu festigen, an den Theatern und Kulturinstitutionen angekommen.
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