Präsidentschaftswahl in der Ukraine

Russlands Einfluss ist groß

23:16 Minuten
"Sewastopol – Vorposten der russischen Zukunft" steht auf einem großen Plakat auf der Krim, auf dem auch Putin zu sehen ist.
"Sewastopol – Vorposten der russischen Zukunft" - Werbung oder Drohung? Putin-Plakat auf der Krim. © Deutschlandradio / Thomas Franke
Thomas Franke im Gespräch mit Margarete Wohlan · 14.03.2019
Audio herunterladen
Ende März finden in der Ukraine Präsidentschaftswahlen statt - und es gibt auch prorussische Kandidaten. Russland unternehme auch bei den Wahlen alles, um die Reformen im Land scheitern zu lassen, sagt Korrespondent Thomas Franke.
Wenn die Parlamentarier in Kiew davon sprechen, dass Präsident Putin zwanghaft versuche, die Ukraine unter Kontrolle zu bekommen, dann ist das nicht übertrieben, meint Korrespondent Thomas Franke im Deutschlandfunk Kultur.
"Russland führt Krieg in der Ukraine. Der russischen Regierung geht es vor allen Dingen darum, dass die Ukraine keine Erfolgsgeschichte wird. Wir erinnern uns: es gab 2004 große Demonstrationen für demokratische Reformen, 2014 wieder – was ein relativ kurzer Zeitraum ist, um zweimal so eine Bewegung in der Größe zu starten. Und darauf folgte dann 2014 die Intervention der Krim und der Krieg in der Ostukraine mit den beiden Separatistengebieten."
Und das sei klar innenpolitisch begründet, sagt Franke.
"Die Ukraine musste aus Sicht der russischen Regierung im Chaos versinken, man musste sagen, das handelt sich um einen faschistischen Putsch, der US-gesteuert ist, auch um die eigene Opposition zu unterdrücken und sie vor allen Dingen im eigenen Land zu diskreditieren."
Außerdem müsse man immer bedenken, dass die russische Regierung die Ukraine als Einflusssphäre betrachte und versuche, überall mitzubestimmen.

Russlands Einfluss ist auch bei den Wahlen präsent

Bei den Präsidentschaftswahlen und im Vorwahlkampf sei das nicht anders. Der Einfluss Russlands sei immer da, allein schon dadurch, dass Fernsehkanäle auf Russisch senden und in der Ukraine viele Leute russisch verstehen, so die Einschätzung von Thomas Franke.

"Und dann natürlich über soziale Netzwerke: Es gibt Schmutzkampagnen gegen Kandidaten, vor allem gegen Demokraten; es wird keine so offenkundigen Wahlfälschungen geben, die aus Russland manipuliert sind – das wird nicht klappen. Um das abzusichern, haben die Ukrainer ja auch russische Wahlbeobachter verboten, sie haben zu den Präsidentenwahlen am 31. März keinen Zutritt."
Fahnenschwnekende Demonstranten in der Ukraine.
Demonstration der russlandfreundlichen Partei "Für das Leben" in der Ukraine.© Deutschlandradio / Thomas Franke
Bei der Präsidentschaftswahl gibt es auch drei dezidiert pro-russische Kandidaten.
"Jurij Boiko, um den wird am meisten Wirbel gemacht, die Partei heißt ´Oppositioneller Block` und sie ist aus der ´Partei der Regionen` hervorgegangen. Sie hat sich mit der ´Partei für das Leben` zusammengetan. Dann gibt es Oleksandr Wilkul, der mal stellvertretender Ministerpräsident vor der demokratischen Wende 2014 war, und Jewgenij Murajew von der Partei ´Nashi`."
Man könne sich das Ganze ein bisschen als Erbmasse der "Partei der Regionen" vom korrupten Präsidenten Viktor Janukowitsch betrachten, meint Franke. Die seien auch eher im Osten verwurzelt, wenn überhaupt. Aber eine Chance habe keiner von diesen Kandidaten: Boiko liegt in den Umfragen bei knapp zehn Prozent, Murajew bei 4,5 und Wilkul bei 1,4 Prozent.

Elitenwechsel in der Ukraine ist total wichtig

Als Rechtfertigung, dass er sich einmischt, erklärt der russische Präsident immer wieder, dass alle ukrainischen Präsidenten Lumpen seien. Das sagt jemand, der demokratische Wahlen in seinem Land quasi abgeschafft hat und so etwas wie Zivilgesellschaft massiv unterdrückt, meint Franke.
"Ja, die Ukraine ist immer noch korrupt, und die Regierung tut auch natürlich nicht genug. Es gibt auch Enthüllungen – zum Beispiel, dass Präsident Poroschenko an der Rüstungsbranche mitverdient. Und auch die Millionen von Julija Tymoschenko sind immer noch umstritten. Aber die russische Regierung tut alles, um die Ukraine unsicher zu machen und demokratische Reformen scheitern zu lassen, damit sich dieses Land möglichst selbst erledigt und die Leute frustriert zu Russland zurückkehren."
Deshalb sei ein Elitenwechsel in der Ukraine "total wichtig", sagt Franke. Und es gebe auch Hoffnung. So gibt es sehr "zähe, demokratische, rechtschaffene Leute" wie Andrij Sadowyj, Bürgermeister aus Lviv, Lemberg, das nicht weit von der polnischen Grenze entfernt ist.
"Andrij Sadowyj liegt zwar nur bei 1,9 Prozent, aber er war auch schon nach 2004 aktiv, bei Juschtschenko. Das heißt, es gibt Leute, mit einem langen Atem, die leider noch keine richtige Chance haben."

Unsere Sicht wiederum auf Russland und die Ukraine sind auch ein Erbe des Kalten Krieges, sagt Thomas Franke.
Wahlplakat der ukrainischen Präsidentschaftskandidatin Julija Tymoschenko am 13. März 2019 in Kiew.
Wahlplakat der ukrainischen Präsidentschaftskandidatin Julija Tymoschenko am 13. März 2019 in Kiew.© imago images/ZUMA Press/Pavlo Gonchar
"So wurde in den 70er-Jahren, in der Hochzeit des Kalten Krieges, im deutschsprachigen Raum keine einzige Doktorarbeit über ukrainische Geschichte geschrieben. In den 80er-Jahren waren es drei und auch nach dem Ende der Sowjetunion blieb das wissenschaftliche Interesse massiv gering. In den 90er-Jahren gab es 13 Promotionen zur Geschichte der Ukraine, da war das Land immerhin schon selbstständig!"
Die deutsche Slawistik sei lange der Diktion aus Moskau gefolgt, erläutert Franke, und habe die ukrainische Sprache und Literatur weitgehend ignoriert.
"In großen Teilen ist auch heute noch die irrige Ansicht verbreitet, dass es sich bei dem Ukrainischen um einen Dialekt des Russischen handelt und nicht um eine eigene Sprache – und dass die Ukraine genuin russisches Land sei. Wir sehen das an der Diskussion um die Annexion der Krim, da wird plötzlich gesagt, das war schon immer Russland. Wenn wir auf dieser Basis argumentieren, dann gibt es in den Köpfen vieler Menschen die Ukraine definitiv nicht oder jetzt erst seit 2014."

Das Erbe des Zweiten Weltkriegs

All das müsse sich definitiv ändern, sagt Franke. Dann könnte man es eventuell hinbekommen, dass die Aggression aus Russland abnimmt. Dabei sei eine der Grundfragen: Wie erreicht man das? Zurzeit steht ein Entspannungspolitikmodell in der Diskussion, aufgebaut auf der Entspannungspolitik der 70er-Jahre.
"Die Rahmenbedingungen heuet sind völlig andere. Ich glaube, das ist der falsche Ansatz. Man muss die Ukraine stark machen, man muss sich solidarisieren. Wir reden über die Verantwortung, die wir Russland gegenüber haben als Erbe des Zweiten Weltkriegs. Wenn wir uns aber angucken, welche Teile des Zweiten Weltkriegs und der Nazibesatzung in der Ukraine stattgefunden haben, ist das wahnsinnig viel. Die deutsche Verantwortung der Ukraine gegenüber ist mindestens genauso groß, wenn nicht größer."

(mwo)
Mehr zum Thema