Präsidentenwahl in Nicaragua

Demokratie als Farce

Daniel Ortega mit seiner Frau Rosario Murillo
Daniel Ortega mit seiner Frau Rosario Murillo am 6. November 2016 in Managua, Nicaragua. © picture alliance/dpa/Foto: Rodrigo Arangua/Pool
Von Peter B. Schumann · 06.11.2016
In Nicaragua ist Daniel Ortega zum Präsidenten wiedergewählt worden. Der ehemalige Revolutionsführer hatte einst den Diktator Somoza gestürzt − seine dritte Präsidentschaft habe Ortega nun selbst mit antidemokratischen Mitteln gesichert, sagt der ehemalige Weggefährte Sergio Ramírez.
Der Vizepräsident der ersten sandinistischen Regierung ist heute nicht zur Wahl gegangen. Er hatte zusammen mit anderen Intellektuellen und Oppositionellen zum Boykott aufgerufen, nachdem die oberste Wahlbehörde vor einigen Monaten insgesamt 28 Abgeordneten der Opposition mit fadenscheinigen Gründen das Mandat entzogen hatte. Ernesto Cardenal sprach bereits von Diktatur. Der stets diplomatische Sergio Ramírez ist etwas vorsichtiger.
"Eine Demokratie ist das nicht, sondern ein autoritäres Regime. Ortega hat die Gewaltenteilung abgeschafft und kontrolliert den Justizapparat sowie die Wahlbehörde. Den Obersten Gerichtshof hat er zu seinem persönlichen Instrument gemacht. Den Rechnungshof, der ihn kontrollieren müsste, hat er sich ebenfalls untergeordnet. Das alles ist sehr weit entfernt von einer repräsentativen Demokratie."

"Keinerlei Mittel für kulturelle Aktivitäten"

Und auch weit entfernt von den kulturellen Werten, für die die Sandinistische Revolution vor rund dreißig Jahren berühmt war, als das erste Kulturministerium in Nicaragua gegründet wurde.
"Das heutige Kulturinstitut verfügt nur noch über einen Etat von zwei Millionen Dollar pro Jahr. Dieser reicht gerade aus, um die Nationalbibliothek, das Nationalmuseum und eine kleine Kunstakademie aufrecht zu erhalten, d.h. die Angestellten zu bezahlen. Es gibt keinerlei Mittel für kulturelle Aktivitäten. Das sind tote Institutionen. Von der Kunstakademie gehen keinerlei Impulse für die bildendenden Künste aus. Einzelne Banken oder Unternehmen unterstützen mal eine Ausstellung oder einen Künstler oder finanzieren ein Buch. Aber sie wollen damit nicht in Konflikt mit der Regierung geraten. Sowie ein Werk kritisch ist, halten sie es für subversiv und fördern es nicht."
Kritik an der Regierung ist für die meisten Medien tabu. Noch werden die sozialen Netzwerke nicht zensiert. Doch außer ihnen gibt es für Oppositionelle wie Sergio Ramírez nur zwei Möglichkeiten, sich öffentlich zu äußern: die oppositionelle Tageszeitung La Prensa und deren Fernsehsender.
"Alles Übrige wird vom Staat kontrolliert. Die meisten Fernsehkanäle und über hundert Radiostationen wurden von der Familie Ortega oder von ihr abhängigen Gesellschaftern aufgekauft. Ortegas Söhne besitzen verschiedene TV-Sender. Meinungsfreiheit existiert dort nicht mehr. Im Mediensystem gibt es nur noch kleine Nischen."

Macht des Familienclans zementieren

Die Wahlen an diesem Sonntag sollen die Macht des Familienclans zementieren und Ortegas Ehefrau Rosario Murillo zur Vizepräsidentin machen. Sie ist bereits Regierungssprecherin und leitet sogar Kabinettsitzungen.
"Das ist eine natürliche Folge dessen, was in den letzten Jahren geschehen ist: das Regime einer einzigen Familie. Es basiert auf absoluter familiärer und politischer Loyalität. Präsident Ortega hat das vor kurzem selbst betont. Illoyalität wird von ihm mit Ausgrenzung bestraft. Deshalb ist er von lauter Mitläufern umgeben und vertraut eigentlich nur seinen Angehörigen."
Als Paranoia hat Gioconda Belli, die bekannteste Schriftstellerin des Landes, die Methoden Ortegas zur Ausschaltung der Demokratie charakterisiert, obwohl er doch eigentlich mit einer großen Mehrheit zu rechnen habe. Für Sergio Ramírez ist dessen Ziel klar.
"Nach der Liquidierung der wahren Opposition gibt es für Ortega kein Zurück mehr. Jetzt sitzen im Parlament nur noch Statthalter der Regierung, eine Schein-Opposition, geschmiert mit Privilegien. Wir steuern auf eine Einparteien-Herrschaft zu."
Nicaragua ist ein Beispiel dafür, wie ein zukunftsweisendes revolutionäres Projekt durch Machtgier zu Schanden geht.
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