Potsdamer Oberbürgermeister über Lesbos

"Europa muss menschlich bleiben"

06:12 Minuten
Eine Frau geht mit Kindern durch ein Flüchtlingslager, in welchem desolate Verhältnisse herrschen.
Als "Schande für Europa" hat Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) die Zustände im Geflüchtetenlager auf Lesbos bezeichnet. © picture alliance/imageBROKER/Florian Bachmeier
Mike Schubert im Gespräch mit Thomas Jaedicke · 05.04.2020
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In den Geflüchtetenlagern auf Lesbos zeichnet sich eine humanitäre Katastrophe ab. Der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) plädiert für humanitäre Hilfe, die zugleich die Sorgen der Bevölkerung ernst nimmt.
In Moria auf der griechischen Insel Lesbos herrschen katastrophale Zustände: 20.000 Menschen sind hier zusammengepfercht auf dem Gelände eines ehemaligen Militärhospitals, das ursprünglich einmal als Übergangslösung für höchstens 3000 Geflüchte gedacht war. 1000 Personen teilen sich dort einen Wasserhahn.

Eine "Schande für Europa"

Deutschland und sieben weitere EU-Staaten haben sich grundsätzlich bereiterklärt, die schon lange diskutierten EU-Kommissionspläne umzusetzen und wenigstens 1600 Kinder und Jugendliche von dort aufzunehmen.
Passiert ist bislang nichts, obwohl zahlreiche deutsche Gemeinden Bereitschaft zur Hilfe signalisiert haben. Zu diesen Gemeinden zählt auch Potsdam. Dessen Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte sich Anfang März 2020 vor Ort einen Eindruck der Zustände auf Moria verschafft und diese als "Schande für Europa" bezeichnet.
Im Gespräch bekräftigt er diese Einschätzung und seinen Willen zu helfen.
Brandenburg, Potsdam: Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).
"Wir tun uns in Europa keinen Gefallen damit, Ängste gegeneinander auszuspielen", sagt Mike Schubert (SPD) .© Soeren Stache/dpa-ZB
Allerdings wurde auch Kritik laut, ob es angesichts der Corona-Pandemie und der damit drohenden Überlastung des Gesundheitssystems sinnvoll ist, weitere und möglicherweise infizierte Menschen in die Stadt zu holen. Solche Versuche, Sorgen in der Bevölkerung gegen das humanitäre Ziel auszuspielen, hält Schubert für "kümmerlich":
"Man kann auch in der jetzigen Situation natürlich dafür sorgen, dass die Kinder, die aus Moria oder anderen Lager kämen, vorher beispielsweise in eine Quarantäne gebracht werden, wo sie getestet werden, und wenn sie frei vom Erreger sind, dann nach Deutschland kommen. Da gibt es technische Mittel und Wege, um da sicherzugehen und vernünftig miteinander umzugehen. Aber diese Ängste miteinander auszuspielen, ich glaube, da tun wir uns in Europa keinen Gefallen. Europa muss auch in der jetzigen Situation menschlich bleiben."

"Verbale Provokationen" führen zu nichts

Schubert betont aber auch: Diese Qurantäne und Tests seien – neben einer zahlenmäßig gerechten Verteilung der aufgenommenen Geflüchteten auf die Kommunen – die Voraussetzung dafür, in der Bevölkerung Verständnis für diese Hilfsmaßnahme zu wecken.
Auf der anderen Seite gibt es Kritiker, die auf die Grenzöffnungen für Spargel-Erntehelfer verweisen und behaupten, Spargel sei in Deutschland wichtiger als Menschenleben. Auch solchen Gegenüberstellungen erteilt Schubert eine Absage: "Wir tun uns in der jetzigen Situation keinen Gefallen mit verbalen Provokationen."
(thg)
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