Portugal

"Die Trauben von hier sind unschlagbar"

Portwein reift in Eichenfässern in der Portweinkellerei Graham's in Porto.
Portwein reift in Eichenfässern in einer Portweinkellerei in Porto. © picture alliance / dpa / Foto: Robert B. Fishman, ecomedia
Von Jochen Faget  · 23.01.2014
Nach der Krise in den vergangenen Jahren geht es den portugiesischen Weinbauern wieder besser. Zumindest die großen Kellereien haben Grund zur Freude. Die Menschen kaufen wieder mehr Port- und Spitzenweine.
Ein Akkordeon, ein Tamburin und viel gute Stimmung – und schon wird aus harter Arbeit ein Heidenspaß. Vor allem, wenn ausnahmsweise diejenigen arbeiten, die sonst nur Anweisungen geben. Die 18 Männer, die mit hochgekrempelten Hosenbeinen in einem großen Granitbottich Trauben austreten, sind Direktoren, Besitzer und Weinmacher der großen Portweinkellereien.
Eine Wohltätigkeitsveranstaltung hat sie gemeinsam ins Schwitzen gebracht, sogar die Herren Niepoort und Sandeman, deren Namen auf Millionen Weinflaschen prangen. Irgendwann in den nächsten Jahren soll aus der roten Brühe, in der sie waten, ein besonderer Portwein werden, der zu guten Zwecken verkauft werden soll. Jetzt spielt erst einmal die Musik und alle haben ihr Vergnügen.
Die Portweinproduzenten haben sich in dem Dörfchen Vale de Mendiz getroffen, im Herzen der Douro-Region. Alle haben sie hier ihre besten Weinberge, denn Vale de Mendiz ist so etwas wie die Hochburg der Portweinherstellung. Auf den steil ins Tal abfallenden Hügeln nahe des Douro-Flusses wachsen die absoluten Spitzenlagen, die zu unglaublich guten und unverschämt teuren Portweinen verschnitten werden. George Sandeman kann das – nachdem er sich den Schweiß aus dem Gesicht und die Traubenreste von den nackten Beinen gewischt hat – nur bestätigen:
"Diese Region ist fantastisch für die besten Vintage-Portweine, die besonders lang altern müssen. Auch für Spitzen-Tawnies sind die Trauben von hier unschlagbar."
Alles noch Hand- und Fußarbeit
Spricht‘s und gönnt sich einen Schluck Portwein. George Sandeman spasst mit den Kollegen von der Konkurrenz, während die Gutsarbeiter stundenlang weiter Trauben treten müssen. Absoluten Spitzenweinen kommt noch heute diese Hand- beziehungsweise Fußarbeit zu; sie werden so einfach besser, als wenn am Anfang eine schnöde elektrische Traubenpresse steht. George und die Jungs aber sollen und wollen jetzt Spaß haben. Auch Feiern und Essen haben Tradition im Douro-Tal, weiß Mr. Sandeman:
"Spektakuläre Weine, spektakuläres traditionelles Essen – eine Traumregion!"
Fast 100 Kilometer windet sich der Douro von der spanischen Grenze durch Granit- und Schieferfelsen zur Mündung an den Atlantik. Hier, nordöstlich der Handelsstadt Porto, liegt das älteste offiziell ausgewiesene Weinbaugebiet der Welt. Seit 1758 darf sich nur das, was aus Trauben aus dem Douro-Tal gekeltert ist, Portwein nennen. Den haben allerdings nicht die Portugiesen, sondern die Briten zu einem Welterfolg gemacht.
"Alles hat damit begonnen, dass die Briten auf der Suche nach Wein waren, der nicht aus Frankreich kam. Denn die beiden Länder führten wieder einmal Krieg gegeneinander. Da entdeckten die Briten, dass in Portugal sehr gute, vollmundige Weine wuchsen. Das war der Anfang des Portweins."
Dem wurde Alkohol zugesetzt, damit er die Schiffsreise nach England gut überstand und wohl auch, damit er stärker wurde. Schnell war das Geschäft fest in britischen Händen.
UNESCO Weltkulturerbe
"Mein Vorfahr war ein weit gereister junger Mann aus Schottland. Irgendwann hat er seine Liebe zum Wein entdeckt. In einem Brief bat er seinen Vater, ihm Geld für ein Weinhandelsgeschäft zu borgen. Der lieh im 300 Pfund und sein Bruder, ein Banker, hat wohl auch etwas beigesteuert. Damit hat George eine Weinkellerei gekauft und seinen Handel gestartet."
Endlose Terrassen, mühsam von Hand aus Schiefersteinen gebaut, durchziehen die Berge entlang des Douro. In Jahrhunderten hat der Mensch die großartige Natur des Douro-Tals verändert und geprägt, die steil abfallenden Böden nutzbar gemacht. Vor rund zehn Jahren wurde die Region deshalb von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Auf braunem, steinigen Boden wachsen die Reben, ein grüner Streifen zwischen dem Blau des Flusses und des Himmels.
Habichte kreisen über den Hügeln, ein weißer Flussdampfer zieht stromaufwärts an alten Gutshäusern vorbei. Immer näher rücken die Ufer an das Schiff heran, immer höher werden die Berge. Irgendwann wird der Boden zu felsig für den Weinbau, krallen sich nur noch Olivenbäume zwischen riesigen Granitblöcken fest. In Barca d’Alva ist die Reise zu Ende, die spanische Grenze erreicht.
Barca d’Alva ist ein verschlafenes, kleines Nest, in dem die Zeit irgendwann stehengeblieben sein muss. Eine menschenleere gepflasterte Hauptstraße, schmucke weiße Bürgerhäuser, ein Café, ein längst stillgelegter Bahnhof, dann Spanien. Ab hier ist der Douro Grenzfluss, ab hier beginnt das Naturschutzgebiet Douro Internacional. Etwas flussaufwärts am anderen Ufer ein riesiger Felsen. António Monteiro beobachtet die schroffen Klippen durch sein Fernglas.
"Beim ´penedo durão` ändert der aus Norden kommende Fluss seine Laufrichtung nach Westen. Vor Jahrmillionen war hier ein riesiges Binnenmeer, der Douro hat eine tiefe Schlucht gegraben, die zu seinem Ablauf wurde."
Geier nisten in den Felsenklüften, unten rauscht das Wasser. Im Douro-Naturpark leben Wildschweine, Rehe und sogar Adler, versichert António Monteiro, der für die Naturschutzbehörde arbeitet. Früher habe es sogar Wölfe gegeben, die sollen jetzt wieder behutsam angesiedelt werden. Zahlreiche Wanderwege führen durch die wilde Landschaft, die Parkverwaltung hofft so, mehr Besucher anzulocken:
"Das hier ist so etwas wie der ´Grand Canyon` der Iberischen Halbinsel. Wilde, weitgehend noch immer unberührte Natur. Dieses riesige Tal ist einzigartig in Europa."
So heiß wie in der Hölle
Auch auf dem Weingut ‚Quinta da Leda’ sind die Weinberge so steil, dass Maschinen dabei kaum eingesetzt werden können. Die Erntearbeiter, hauptsächlich Frauen, ziehen Plastikkörbe neben sich her, während sie die Trauben abschneiden. Eine elende Knochenarbeit, klagt Maria de Fátima Loureiro:
"Immer tief bücken, die Kisten schleppen und dann weg bringen. Das macht fertig. Aber der Traktor kann hier nicht reinfahren."
Maria de Fátima wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht, schiebt ihren Strohhut in den Nacken. Gnadenlos brennt die Sonne vom Himmel, zur Weinlese im September erreichen die Temperaturen noch immer die 30-Grad-Grenze. Am Douro ist es im Sommer unerträglich heiß und im Winter bitter kalt. "Wir haben hier neun Monate Hitze und drei Monate Hölle", sagt die Frau Mitte 50. Und weil die "Hölle" bald beginnt, muss es bei der Lese schnell gehen:
"Heute Morgen haben wir um halb acht angefangen und arbeiten bis halb fünf. Um zwölf gibt es Mittagessen, dann machen wir weiter. Am Samstag natürlich auch. Ein hartes Leben."
In der Kellerei laufen derweil die Pressen auf Hochtouren. Kellermeister Luís Sottomayor prüft die Qualität der Trauben höchstpersönlich. Es war ein gutes Jahr mit viel Regen im Winter und einem trockenen, heißen Sommer. Wenn es jetzt nicht regne, könne ein Spitzenjahrgang entstehen, hofft der Önologe. Und die "Quinta da Leda" steht für Spitzenprodukte. Hier wird Portugals berühmtester und bester Rotwein produziert – "Barca Velha".
"Barca Velha ist die Ikone des Douro-Weins, ein mythischer Wein, der nur in ganz besonderen Jahren gemacht wird. Er wurde 1952 zum ersten Mal nach vielen Versuchen produziert. Sogar Eis, das damals mit Lastwagen aus Porto gebracht wurde, wird zur Kontrolle des Gärprozesses verwendet. Und der Erfinder dieses Weines hat gemerkt, dass hier am oberen Douro der Ideale Platz für die Produktion ist."
Ganz besondere Weine
Seit einigen Jahrzehnten ist die Produktion von Weinen im Dourotal stark angestiegen, wird dort nicht mehr nur Portwein hergestellt. Die Böden und das Klima garantieren Spitzenweine, die international konkurrieren können. Luís Sottomayor, ein ruhiger Mann um die 50, hat als Weinmacher einen wichtigen Beitrag als Weinmacher dazu geleistet, selbst verschiedene neue Marken kreiert. Und in ganz besonderen Jahren entstehen ganz besondere Weine wie "Barca Velha".
Den letzten Barca-Velha-Wein gab es 2004. Darüber, ob auch der Jahrgang 2013 diesen Namen verdient, wird Sottomayor allerdings erst in ein paar Jahren entscheiden. Wenn der Wein in Eichenfässern lang genug gereift ist. Jetzt müsse er aber ins Labor, sehen ob bei der Gärung alles gut läuft, entschuldigt der Önologe sich lächelnd. Er sei ein glücklicher Mann, sagt Luís Sottomayor zum Abschied.
Träge fließt der Douro Richtung Westen. Ab Vila Nova de Foz Côa reichen die Weinberge weit ins Hinterland. Füllen nördlich und südlich des Stroms ganze Täler, durch die sich enge Straßen winden, bergauf und bergab. Dazwischen Mandelbäume. Jedes Jahr im Frühling tauchen sie die Landschaft mit ihren Blüten in blendendes Weiß. Dazwischen immer wieder Taubenschläge, runde Türme mit schrägen Dächern. Die meisten stehen heute leer, sie wurden vor mehr als 100 Jahren zur Fleisch- und Düngerproduktion gebaut.
Oliven und knorrige Bäume
Bei dem Dorf Freixo de Numão schlagen auf einem Olivenhain Männer und Frauen die Oliven mit langen Stöcken von den knorrigen Bäumen auf die am Boden liegenden Plastikplanen. Bevor sie zur Ölmühle kommen, werden sie von heruntergefallenen Ästen und Blättern gereinigt, erklärt der 74jährige Kleinbauer António Assunção. Heute mit einer Maschine, aber zu seinen Zeiten sei das anders gewesen.
"Wir sagten früher: wer schwitzen will, braucht nur Oliven zu putzen. Die wurden mit Schaufeln in den Wind geworfen, damit die Blätter wegflogen. Nur hatten manche Leute nicht einmal eine Schaufel. Die mussten dann die schweren Planen hochheben und schütteln. Da konnte es sogar schneien und die Männer schwitzten trotzdem. So schwer war die Arbeit."
Dafür gab es wenig Geld, erinnert sich der 74-jährige Kleinbauer, der auch als Tagelöhner gearbeitet hat:
"Die großen Landwirte haben zwar verdient, aber den Arbeiterfrauen haben sie nur 7,50 Escudos und uns Männern 15 bezahlt. Am Tag! Das sind etwas mehr als drei beziehungsweise sieben Euro-Cent!"
Heute liefern António Assunção und seine Kollegen die Oliven bei der Genossenschaft ab. Die bezahlt besser und kümmert sich um die Vermarktung des Olivenöls. Auch Wein wird dort produziert und dann ins ganze Land verkauft. Über das Nachbarstädtchen Pinhão.
Mit Holzschiffen nach Porto
Einst war dieses verschlafene Nest ein Weinumschlagplatz. All die großen Portweinkellereien haben Weingüter hier. Schmucke weiße, palastartige Gutshäuser, im 19. Jahrhundert an die Flussufer gebaut, tragen die Namen der Produzenten. An der engen Douro-Brücke stauen sich die Lastwagen, die den Wein von hier in die Handelsstadt Porto bringen. Ganz früher wurde der Wein in riesigen Holzfässern mit Holzschiffen transportiert, erinnert sich Albano Pereira. Dann mit der Eisenbahn:
"Da fuhren dann ein, zwei Züge täglich. Die Kellereien hatten eigene Stichbahnen zu ihren Gütern, die hier zusammenliefen. Doch das ist lang vorbei. Inzwischen wurde der Güterverkehr eingestellt, es kommen auch kaum noch Passagiere."
Sein Bahnhof habe schon bessere Zeiten gesehen, klagt Senhor Albano und er muss es wissen. Der Mann Anfang 60 war Stationsvorsteher des Ortes. Der letzte, denn jetzt sind die Schalter geschlossen. Nun müssen die wenigen Fahrgäste ohne Bahnpersonal zurecht kommen.
Gerade ist der Zug in die Nachbarstadt Régua abgefahren. Etwas verloren sucht eine Gruppe englischer Touristen den Ausgang. Sie wollen zum "Vintage-House", einem etwas versteckten Hotel gleich nebenan. Albano Pereira zeigt ihnen den Weg, steht traurig vor seinem alten Bahnhof, den Kachelbilder vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts schmücken.
"Die einen zeigen die schönen Landschaften unserer Region, andere Szenen vom Weinbau, wie er früher war."
Und das enge Tal von Pinhão. Aus dem sucht der Douro seinen Weg weiter nach Westen. Mit vielen Kurven, vorbei an Weinbergen und immer mehr Häusern, Dörfern und Städten. Zuletzt erreicht der Fluss Porto, wo er in den Atlantik mündet. Hier, neben der alten NAME-Eisenbrücke mit ihren eleganten Rundbögen, stehen seit über 200 Jahren die Lager die Portweinkellereien.
Drinnen gibt’s Führungen durch das alte Gemäuer der Kellerei.
"Willkommen und bitte nicht rauchen", begrüßt Susana, die Führerin, die Besucher, neben Briten vor allem Asiaten aus Japan, Korea und China. Nach einer kurzen Einführung verschwindet sie dann mit der Gruppe zwischen Weingeruch und Eichenfässern im Zwielicht des Weinkellers.
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