Porträt

Die Pionierin der Sexualwissenschaft, Charlotte Wolff, bittet um die Hand

Ein Appell für gleichgeschlechtliche Liebe unter Frauen ist am 06.02.2014 auf der Scheibe einer Bushaltestelle bei Springe (Niedersachsen) zu sehen.
Charlotte Wolff wurde die erste Theoretikerin des Lesbianismus. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Ursula Krechel · 14.03.2014
Zur Frauenuniversität Berlin reiste im Jahr 1979 eine 82-jährige Emigrantin aus England an. Eine Ärztin, die in den 20er-Jahren in der Schwangerenfürsorge gearbeitet hatte, die dichtete und mit Walter Benjamin, Helen und Franz Hessel befreundet war. Ihr Auftreten war eine Offenbarung für die jungen Frauen.
Sinnlich wurde erfahrbar, was die Vertreibung der deutschen Juden an Traditionen, aber auch an gewagten Lebenskonstruktionen hat abreißen lassen. Als "eine Frau in Männerkleidung und eine Spionin" wurde sie 1933 gesucht, doch es gelang ihr die Flucht nach Paris und später nach London.
Charlotte Wolff wurde die erste Theoretikerin des Lesbianismus. Weil sie in der Emigration nicht als Ärztin arbeiten durfte, lernte sie das Handlesen und ernährte sich damit. Am Ende ihres Lebens unterhielt sie einen freundschaftlichen Briefwechsel mit Christa Wolf und schrieb eine beeindruckende, sich selbst entblößende Autobiografie. Die Schriftstellerin Ursula Krechel nähert sich dieser Pionierin mit Respekt und Forschungsinteresse.
Produktion: DLF 2014