"Pornografie & Holocaust"

Von Jörg Taszman · 29.12.2010
Bis zum Beginn des Eichmann-Prozesses 1961 gibt es in Israel zwei große Tabus die auf den ersten Blick nichts miteinander gemeinsam haben: Pornografie und der Holocaust. Obwohl über die Hälfte der Israelis Überlebende der KZs sind, wird das Leiden in den Lagern verschwiegen, nicht beachtet oder man begegnet den Überlebenden mit Misstrauen. Was haben Sie getan, um zu überleben, und warum emigrierten sie nicht rechtzeitig? Erst durch die Zeugenaussagen im Eichmann-Prozess werden die Schrecken der Judenvernichtung der israelischen Gesellschaft gegenwärtig.
Fast parallel zum Eichmann-Prozess erscheint mit "Stalag13" ein reißerischer, pornografisch angehauchter Groschenroman um einen amerikanischen Piloten, der in einem "Stalag" (Stammlager) von sadistischen und perversen deutschen SS-Offizierinnen vergewaltigt, gequält und gedemütigt wird. Am Ende rächt sich der erniedrigte, kernige Mann, indem er die arische Folterknechtin selber vergewaltigt und tötet. Zwei Jahre lang wurden diese "Stalags" in Israel zu einem Massenphänomen und für viele pubertierende Jugendliche die erste erotische Literatur.

Wie sehr prägte das die damalige israelische Gesellschaft? Wer schrieb und verlegte diese Massenware, die immer geschmackloser wurde? Regisseur Ari Libsker geht diesem Phänomen nach, trifft auf fanatische Sammler, ehemalige Autoren und hinterfragt den Umgang in Israel mit dem Thema Holocaust auf intelligente und verblüffende Weise. So sind bis heute die Bücher des Autors K. Zetnik in Israel Pflicht- und Abiturliteratur, die den Mythos von jüdischen Feldhuren in Auschwitz zementieren.

Der sehr informative und auch filmisch gut gemachte Dokumentarfilm startet zunächst in Berlin, Dresden und Nürnberg.

Israel 2008, Regie: Ari Libsker, Länge: 63 min.

Film-Info vom Verleih