Porno-Schnauzer und Truckermütze

31.01.2012
Enge Jeans, Porno-Schnauzer, Truckermütze: so kennt man den "Hipster", der Ende der Neunziger in New York auf den Straßen von Williamsburg und der Lower East Side auftauchte und heute die Szeneviertel weltweit bevölkert. Doch was verbirgt sich hinter dieser Oberfläche? Und reicht es nicht langsam mit dem "Hipstertum"? Das fragten sich die Macher des New Yorker Intellektuellenmagazins n+1, deren popsoziologische Erkundung des "Hipsters" jetzt auf Deutsch erschienen ist.
Der "Hipster" polarisiert. Zumeist wird der Begriff abwertend verwendet. Auch Mark Greif und seine Mitstreiter lassen kaum ein gutes Haar an den vorwiegend weißen, männlichen, oft der Mittelschicht entstammenden Mittzwanzigern, die die modischen Jugendsünden ihrer Elterngeneration ironisch wiederentdecken, in Kreativbranchen oder zumindest in einem Szene-Café arbeiten und bereits heute wissen, was morgen angesagt sein wird.

Der "Hipster" wird als ein Produkt der neoliberalen Ideologie entlarvt: ein unpolitischer, passiver "rebellischer Konsument”, der die Gentrifizierung vorantreibt und sich nostalgisch-regressiv den vergangenen Moden der eigenen Kindheit verschreibt.

Doch die Begriffe "Hipster” und "hip” haben auch eine historische Tiefendimension. Schon lange vor der heutigen Generation nannte man so die Vorreiter unterschiedlicher Subkulturen. Angefangen hat alles mit den schwarzen "Hipstern" des Jazz der vierziger Jahre und ihren weißen Nachahmern, den Beatniks, die Norman Mailer 1957 in seinem Essay über den "white negro” beschrieb. Ihnen ging es darum, die Rassentrennung zu überwinden und sich dem gesellschaftlichen Konformitätsdruck zu widersetzen.

Davon ist in den Augen der Kritiker heute wenig übriggeblieben. Der "Hipster" des 21. Jahrhunderts gefällt sich, so Greif, in einem "unangepassten Angepasst-Sein”. Die feinen Unterschiede, mit denen er sich in seiner Kleidungs- und Musikauswahl vermeintlich vom Mainstream abgrenzt, werden zunehmend trivial. Dazu trägt nicht zuletzt eine Mode- und Werbeindustrie bei, die subkulturelle Attitüden immer schneller in vermarktbare Produkte ummünzt. Und das Internet macht das Geheimwissen vormals elitärer Szenezirkel noch für den letzten Hinterwäldler verfügbar.

Trotz der Globalisierung des Phänomens nehmen die n+1-Autoren vor allem den amerikanischen "Hipster" in den Blick. Deshalb wurde die hiesige Ausgabe um drei deutsche Beiträge erweitert. Auffällig ist, dass diese einen deutlich positiveren, ja emphatischen Begriff des "Hipsters" entwickeln. Das gilt insbesondere für Thomas Meineckes und Eckhard Schumachers eindrucksvolle tour de force durch die subkulturellen Stile der letzten fünfzig Jahre: von Velvet Underground hüpft ihre wilde "Hipster"-Genealogie über queere Discoqueens zu Jarvis Cocker oder Lady Gaga. Hipness erscheint hier als ebenso flüchtige wie existenzielle Selbststilisierung der Bohème, die im kulturellen Spiel der Verweise ständig weitergedreht wird.

Mag also auch der heutige "Hipster" als Spielfigur bald verschwinden, sein Nachfolger wird nicht lange auf sich warten lassen.

Besprochen von Philipp Albers

Mark Greif, Kathleen Ross, Dayna Tortorici und Heinrich Geiselberger (Hrsg.): "Hipster - Eine transatlantische Diskussion"
Aus dem Englischen von Niklas Hofmann und Tobias Moorstedt
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
208 Seiten, 18 Euro
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