Pompöser Girlie-Film

Vorgestellt von Anke Leweke · 01.11.2006
Aus der tragischen Figur der französischen Königin Marie Antoinette, die mit ihrem Mann Ludwig XVI. während der Französischen Revolution hingerichtet wurde, hat Regisseurin Sofia Coppola eine Popqueen gemacht. Sie verwandelt Versailles in einen dröhnenden Rave-Schuppen. In "Snow Cake" spielt Sigourney Weaver eine autistische Mutter, deren Tochter tödlich verunglückt.
"Marie Antoinette"
USA 2006, Regie: Sofia Coppola, Hauptdarsteller: Kirsten Dunst, Jason Schwartzman, ohne Altersbeschränkung

Mit dem glückseligen Gesicht eines Teenies auf Ectasy tanzt Kirsten Dunst als Marie Antoinette. Aus dieser Sicht eines freundlichen jungen Dings, das sich eigentlich nur amüsieren will, reflektiert Sofia Coppola das höfische System in Versailles mit samt seinen Intrigen, Machtkämpfen und rigidem Regelwerk. Leicht ließe sich behaupten, dass sich Coppolas Girlie-Ansatz schnell erschöpft und dass man Versailles und den Vorabend der französischen Revolution nicht wirklich mit anderen Augen sieht.

Aber höchstwahrscheinlich wollte diese Regisseurin gar keine Neuinterpretation liefern. Sie bedient sich der historischen Figur, um sie Teil ihrer Jungmädchenwelt werden zu lassen. Denn letztlich ist Coppolas Marie Antoinette eine Seelenverwandte der pubertierenden Schwestern aus "Virgin Suicides" und der übernächtigten Scarlett Johannson aus "Lost in Translation". Alles junge Frauen, die gegen ein tiefes Einsamkeits- und Fremdheitsgefühl kämpfen müssen.

Coppolas jüngste Heldin versucht, den Bürden einer jungen Königin, der allabendlichen Zurückweisung des Gatten, mit offensiver Dekadenz zu trotzen. Eigentlich tut diese Marie Antoinette nichts anderes als sich den Käfig, der sie gefangen hält, selbst zu vergolden. Dafür findet Sofia Coppola immer wieder schöne Bildkompositionen, verwandelt Versailles in einen dröhnenden Rave-Schuppen, macht die Königin zur Popqueen, veranstaltet mit ihr exzessive Modeschauen und frisst sich mit der Kamera durch knallbunte Törtchenarrangements. "Marie Antoinette" ist kein Historien-, sondern ein pompöser Girlie-Film, der durchaus hübsch anzuschauen ist.

"Snow Cake"
USA 2006, Regie: Marc Evans, Hauptdarsteller: Sigourney Weaver, Alan Rickman, ab 6 Jahre

Auf seinem Weg durchs kalte Ontario gabelt der Brite Alex (Alan Rickmann) die eigenwillige Vivienne auf und nimmt sie ein Stück mit. Doch kommt es zu einem durch einen Trucker verursachten Unfall, bei dem die junge Frau tödlich verletzt wird. Wegen Zeugenaussagen muss Alex einige Tage in Vivienes Heimatkaff verweilen. Er entschließt sich, ihre Mutter aufzusuchen und ihr Trost zu spenden. Doch Linda (Sigourney Weaver) will lieber Trampolin springen und achtet streng darauf, dass der fremde Mann nicht ihre Küche betritt. Linda ist Autistin.

Wenn große Hollywoodstars Behinderte spielen, schielen sie meistens mit einer großangelegten Perfomance nach dem Oscar. Doch Marc Evans Film bewahrt seinen persönlichen Rahmen, denn trotz einer schauspielerischen Glanzleistung spielt sich Weaver nie in den Vordergrund. Vielmehr steht die Beziehung zwischen Alex und Linda im Mittelpunkt. Es ist die naive Weltsicht Lindas, die diesen Mann aus der Reserve lockt. Mit ihren Augen beginnt er, die Welt wieder neu zu sehen. Auch wenn sich die Geschichte ein wenig kitschig anhört, kommt sie fast ohne Sentimentalitäten aus.