Polygamie in Nigeria

Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben

NIgeria: Blick auf Ibadan, das eine der größten Städte des Landes ist. Es liegt nordöstlich von der Hauptstadt Lagos.
Blick auf Ibadan, wo Shoneyins Roman spielt © AFP / DERRICK CEYRAC
Von Birgit Koß · 08.12.2014
Die nigerianische Autorin Lola Shoneyi erzählt in ihrem Roman mit Empathie über vier Frauen, die sich für eine polygame Ehe entschieden haben. Ein bizarres Ehegeflecht, in das Shoneyin ihre Leser hineinzieht.
Die 40-jährige nigerianische Autorin Lola Shoneyin lebt in Lagos und organisiert dort das jährliche Ake Arts und Book Festival. Sie veröffentlichte schon Gedichte und Kinderbücher bevor sie mit ihrem Debütroman, "Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi" gleich mehrfach ausgezeichnet wurde. Darin wirft sie einen faszinierenden Blick hinter die Kulissen einer polygamen Familie im heutigen Nigeria in Ibadan - eine der größten Städte des Landes nordöstlich von Lagos, wo die Autorin geboren ist.
Bereits mit 21 Jahren hat Bolanle einen Universitätsabschluss, als sie sich zum Entsetzen ihrer Familie entschließt, die vierte Frau des doppelt so alten Baba Segi zu werden. Bolanle, die immer die perfekte Tochter für ihre ehrgeizige Mutter sein wollte, flüchtet zu diesem Mann, der sie so annimmt, wie sie ist: schweigend, zurückgezogen. Während die Mutter alles tat, damit ihre beiden Töchter selbständige Frauen werden, hat sie in ihrem blinden Eifer nicht bemerkt, wie aus der aufgeschlossenen, fröhlichen Musterschülerin ein verängstigtes junges Mädchen wurde, nachdem es mit fünfzehn vergewaltigt worden war.
Bolanle deckt bestgehütetes Geheimnis auf
Während sich Baba Segi mit seiner hübschen jungen Frau brüstet, bilden seine drei ersten Frauen eine geschlossene Front gegen diesen Eindringling und versuchen, ihr das Leben so schwer wie möglich zu machen. Der Grund dafür ist offensichtlich. Bolanle ist nicht nur jung und zieht damit die Aufmerksamkeit des Ehemannes auf sich, sie ist Akademikerin und damit ein absoluter Fremdkörper in dem analphabetischen Haushalt.
So sehr sich Bolanle auch um die Gunst der anderen Frauen bemüht und still alle Demütigungen erträgt, sie hat keine Chance. Als sie nach zwei Jahren noch immer nicht schwanger ist - was doch der eigentliche Lebenszweck einer Frau sein soll - lässt sie sich im Krankenhaus untersuchen und bringt damit einen Stein ins Rollen, der zur Katastrophe führt und das bestgehütete Geheimnis der anderen drei Frauen des Baba Segi schließlich aufdeckt.
Bolanles Beweggründe für die polygame Ehe
Erfrischend direkt erzählt die Autorin. Dabei wechselt sie in den verschiedenen Kapiteln die Perspektiven. Während wir zuerst Bolanle und ihre Beweggründe für diese Ehe kennenlernen, zeichnet sie dann ein lebendiges Bild vom Alltag im Haushalt des Baba Segi mit all seinen Intrigen und Verwicklungen mit den vier Frauen und sieben Kindern. Zweckbündnisse werden ebenso schnell geschlossen, wie wieder fallengelassen, niemand kann dem anderen trauen.
Dazwischen werden jeweils in der Ich-Form geschriebene Kapitel der einzelnen Personen eingefügt, so dass sich dem Leser allmählich die Lebensgeschichten der Figuren und ihre jeweiligen Wege in diesen Haushalt eröffnen. Lola Shoneyin zeigt die vertrackten Lebensumstände im heutigen Nigeria und lässt damit Sympathie und auch Verständnis im Leser wachsen. Es gelingt ihr hervorragend mit Humor und scharfer Beobachtungsgabe sich mit dem Thema Polygamie auseinanderzusetzen, ohne zu verurteilen und doch eindeutig ihren Standpunkt für ein selbstbestimmtes Leben zu vertreten.

Lola Shoneyin: Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi
Aus dem Englischen von Susann Urban
Edition Büchergilde, Frankfurt 2014
284 Seiten, 22,95 Euro

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