Poltern gegen Israel

Von Jonathan Scheiner · 22.07.2011
Gilad Atzmon ist nicht nur ein gefeierter Jazz-Saxophonist, sondern schreibt auch politische Essays. Und die haben es in sich: Seine pro-palästinensische Haltung trägt antizionistische, teils sogar antisemitische Züge.
Seit zehn Jahren erscheint in schöner Regelmäßigkeit ein neues Werk vom Jazz-Saxophonisten Gilad Atzmon. Der in England lebende Israeli präsentiert mit seinem Orient House Ensemble seine Idee von Hard-Bob, den er mit weltmusikalischen Elementen würzt. Das aktuelle Album heißt "The Tide has Changed". Der Titel ist nicht wörtlich gemeint, denn geändert hat sich zunächst einmal nur die Besetzung des Schlagzeugers Asaf Sirkis, der inzwischen auf Solopfaden wandelt. Doch die hohe Qualität der Musik hat das nicht geändert. Der 1963 geborene Saxophonist bläst wie kaum ein anderer sein Instrument. Auf dem aktuellen Album ist das unüberhörbar.

Gilad Atzmon ist aber nicht nur ein gefeierter Saxophonist, er schreibt auch Bücher wie die beiden Romane "Anleitung für Zweifelnde" oder "My One And Only Love". Seine Homepage ist voll von politischen Essays. Atzmon erklärt, dass die Kritik an Israel inzwischen zu einer Flutwelle, zu einer Massenbewegung angeschwollen sei. Schuld daran sei mal wieder Israel selbst. Und auch sonst geht Gilad Atzmon nicht gerade zimperlich mit der Politik seines Geburtslandes um. Seine pro-palästinensische Haltung hat antizionistische und teils sogar antisemitische Züge. Kein Wunder, dass Atzmon inzwischen nicht mehr nach Israel einreisen darf. Dort gilt er nämlich als unerwünschte Person. Dabei leben die Atzmons seit vielen Generationen dort.

"Die Familie meines Vaters lebt seit sieben Generationen in Palästina. Als Teenager bin ich mit meinem Großvater auf den Ölberg gegangen, um das Grab seines Großvaters zu suchen. Die Eltern meiner Mutter emigrierten in den frühen 30er Jahren aus Osteuropa nach Palästina. Mein Großvater war ein Terrorist des Irgun, er war einer ihrer Befehlshaber. Meine beiden Eltern sind in Palästina geboren. Mein Vater ist immer noch dort. Er ist ein einfältiger Zionist. Wenn ich wissen will, wie die Israelis ticken, dann rede ich mit meinem Vater. Das ist sehr hilfreich. Mein Vater ist Mr. Israel."

Je länger man Atzmon zuhört, je verzwirbelter wirken seine Gedanken: Die Hamas hält Atzmon für Gutmenschen einer frei gewählten Regierung. Das wisse er schließlich aus eigener Erfahrung, weil er ihre Anführer persönlich getroffen hat. So erstaunt es nicht, dass sich Atzmon gar nicht als Israeli fühlt, sondern als "hebräisch sprechender Palästinenser". Ein paar Jahre habe er gebraucht, um zu begreifen, dass Israel gar nicht seine Heimat sei:

"Israel ist nur eine Fantasie von Heimat. Weil es anderen Menschen gehört. Es ist palästinensisches Land. Die Juden sind in dieses Land gegangen und haben im Carmel-Gebirge all diese Bäume gepflanzt, weil sie wollten, dass es aussieht wie in ihrer wahren Heimat, wie in Polen. Sie wollten ihre palästinensische Heimat in eine polnische Heimat verwandeln."

Das ist schon starker Tobak, den uns Atzmon hier auftischt. Ein Ex-Jude, der sein Judaismus aufgekündigt hat und der gegen Israel poltert – das klingt doch sehr nach jüdischem Selbsthass, der hier Amok läuft. Also was macht man nur mit einem Menschen, der so denkt? Am besten, man hört ihm aufmerksam zu, bei der Sache, die er am besten kann: Und das ist nun mal: Das Saxophon blasen.