Polnischer Radiosender "Trojka"

Unter Kontrolle

Das Gebäude von Polskje Radio, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Polen.
Polskie Radio - das öffentliche Radio liegt in Polen vielen am Herzen. © imago stock&people
Von Florian Kellermann · 12.12.2016
Seit ihrem Amtsantritt vor mehr als einem Jahr hat die rechtskonservative polnische Regierung den öffentlichen Rundfunk Schritt für Schritt unter ihre Kontrolle gebracht. Jetzt steht das Radio im Mittelpunkt. Aber die Hörer wehren sich - vor allem vom Kult-Programm "Trojka".
Die Trojka, das dritte Programm des öffentlichen polnischen Radios: Kein anderer Sender in Polen hat solche treuen Hörer. Einer, der vor wenigen Tagen im Studio anrief:
"Sagen Sie mir doch bitte, was macht Ihr nur mit der Trojka, nicht Sie persönlich natürlich? Ich höre Euch seit 1983, seit der 52. Hitparade. Wenn ich jetzt sehe, was passiert, wie viele nicht mehr auf Sendung gehen, dann möchte ich bloß noch weinen."
Die "Trojka" ist eine Institution. Generationen von Polen sind mit ihr groß geworden. Denn im kommunistischen Polen bewegte sie sich immer nur haarscharf am Rande des Erlaubten, spielte Musik aus dem Westen. Und wer zwischen den Zeilen hören konnte, der erfuhr mehr als in den meisten anderen polnischen Medien. Auch nach der demokratischen Wende habe das Programm Qualitätsstandards gesetzt, sagt Wojciech Dorosz, bis vor kurzem Redakteur bei der "Trojka":
"Es kommt vor, dass wir für einen Beitrag von einer Minute eine Stunde arbeiten. Wir wenden viel Energie auf, um uns nicht schämen zu müssen vor den Hörern. Wir spüren einen Auftrag, deshalb prüfen wir jede Information fünf Mal, um uns nicht zu irren."

Kritische Journalisten werden gekündigt oder versetzt

Wojciech Dorosz sagt "Wir", er fühlt sich immer noch als Teil des Redaktionsteams, obwohl der Sender dem 44-Jährigen fristlos gekündigt hat. Ihm und einer Reihe weiterer Mitarbeiter. Denn sie haben den inzwischen berühmten "Brief der 125" unterschrieben. Ein höflicher Brief: Die Unterzeichner bitten ihre Chefs, die Prinzipien der journalistischen Unabhängigkeit und Redlichkeit zu beachten. Denn immer mehr kritische Journalisten werden aus dem Sender gedrängt oder ins Archiv versetzt. Wojciech Dorosz:
"Einer Kollegin wurde vorgeworfen, dass sie den verstorbenen Regisseur Andrzej Wajda als herausragend bezeichnet hatte. Dieses Wort beinhalte eine Wertung und dürfe nicht verwendet werden, hieß es."
Dazu muss man wissen, dass Andrzej Wajda kein Freund der amtierenden Regierung war. Eine andere Kollegin nötigte den radiointernen Informationsdienst, ihr Material über einen Protest zu schicken, einen Protest vor dem Haus von Jaroslaw Kaczynski, dem Vorsitzenden der rechtskonservativen Regierungspartei PiS. Wajda:
"Sie hat ein paar Mal angerufen und schließlich ein paar Fetzen bekommen und einen ziemlich einseitigen Bericht über den Protest. Sie hat das durch Informationen von der Nachrichtenagentur PAP ergänzt und gesendet. Am nächsten Tag wurde sie ins Archiv versetzt."

Hörer bieten Entlassenen Hilfe an

Immer wieder protestieren Hörer vor dem Gebäude der "Trojka" in Warschau. Schon vor einigen Wochen stimmten sie dabei ein Protestlied aus den 1980er Jahren an. "Ihr belügt uns, um uns zu kaufen", lautet die erste Zeile. Ein älterer Herr im dunklen Mantel trat nach vorne ans Mikrophon, ein Hörer, der extra aus Krakau angereist war:
"Die Trojka ist unser Radio, und dieses Radio ist unsere Welt. Eine etwas bessere Welt als die, die wir durch das Fenster oder im Fernsehen sehen. Wir fordern, dass uns diese Welt nicht geraubt wird."
Die Journalisten der Trojka erzählen, dass einige Hörer den Entlassenen sogar finanziell helfen wollen: Sie rufen an und fragen, ob sie auch genug Geld für Weihnachtsgeschenke haben.

Regierung geht beim Radio behutsamer vor

Das öffentliche Radio liegt vielen am Herzen - wohl auch deshalb geht die rechtskonservative Regierung hier viel behutsamer vor als beim Fernsehen. Dort führt längst ein ehemaliger PiS-Abgeordneter das Zepter, die Nachrichten kritisieren täglich vor allem die Opposition. Beim Radio merkten die Hörer den Unterschied bisher an Feinheiten, sagt Wojciech Dorosz:
"Nur sehr selten bekommen wir direkte Vorgaben. Aber es passiert, dass einer der Direktoren sagt: Da ist ein interessantes Buch erschienen. Wir antworten: Ja, aber, wenn wir es besprechen, müssten wir es heftig kritisieren. Dann bekommt ein freier Autor den Auftrag für die Sendung. Das Radio tritt auch immer häufiger als Sponsor von Veranstaltungen auf, die religiös oder patriotisch sind."
Wojciech Dorosz will vor Gericht gegen seine Entlassung vorgehen. Außerdem hofft er auf den Februar: Der Chefposten beim öffentlichen Radio ist neu ausgeschrieben. Vielleicht komme ja doch jemand, der die journalistische Unabhängigkeit verteidigen werde, sagt der ehemalige Redakteur.
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