Polizeiwissenschaftler Rafael Behr

"Gewalt gegen die Polizei hat es immer gegeben"

Ein Polizist in Georgensgmünd (Bayern) vor dem Haus, in dem ein 49-jähriger Anhänger der Reichsbürgerbewegung auf Polizisten geschossen hat.
In Georgensgmünd hatte ein Anhänger der Reichsbürgerbewegung auf Polizisten geschossen, die seine Waffen beschlagnahmen wollten. © picture alliance / dpa / Nicolas Armer
Rafael Behr im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 20.10.2016
Ist schwere physische Gewalt gegen Polizeibeamte inzwischen Alltag? Eine Zunahme lasse sich statistisch nicht nachweisen, sagt Rafael Behr. Der Polizeiforscher plädiert trotz der traurigen aktuellen Ereignisse wie im bayerischen Georgensgmünd für eine nüchterne Analyse.
Im bayerischen Georgensgmünd hat sich ein sogenannter Reichsbürger mit der Polizei eine Schießerei geliefert, bei der ein Beamter starb. In Celle steht die Schülerin Safia S. vor Gericht, weil sie einen Polizisten in Hannover in den Hals gestochen haben soll – im Auftrag der Terrormiliz "Islamischer Staat".

"Trotzdem stimmt der subjektive Eindruck"

Die Gewalt gegen die Polizei habe aber nicht klar zugenommen, sagte der Polizeiforscher Rafael Behr im Deutschlandradio Kultur:
"Trotzdem stimmt der subjektive Eindruck. Das ist aber ein Ergebnis auch einer medialen Verdichtung von Nachrichten, die uns täglich erreichen. Denn wir dürfen einfach nicht davon ausgehen, dass das früher besser war oder angenehmer. Wenn wir die Statistiken betrachten, sind in früheren Zeiten, in den Zeiten der RAF beispielsweise, aber auch in den frühen 50er- und 60er-Jahren sehr viel mehr Polizisten ums Leben gekommen als heute."

Es sei schwierig, an einem solchen Tag über Zahlen zu sprechen, weil viele Menschen im Umfeld der Polizei jetzt mit Leid konfrontiert seien, so der Wissenschaftler, der an der Akademie der Polizei Hamburg Soziologie und Kriminologie lehrt:
Rafael Behr, Kriminologe und Soziologieprofessor an der Hochschule der Polizei Hamburg, blickt am 17.10.2012 in seinem Büro in Hamburg in die Kamera.
Rafael Behr, Kriminologe und Soziologieprofessor an der Hochschule der Polizei Hamburg© picture alliance / dpa / Ulrich Perrey
"Trotzdem braucht es hier ein Maß an Nüchternheit, würde ich vorschlagen, um die Dinge nicht vollständig in die Fantasie abgleiten zu lassen. Die Gewalt an der Polizei hat es immer gegeben und wir können im Moment statistisch nicht von einem exorbitanten Anstieg an schwersten Gewalttaten gegen Polizeibeamte sprechen."

Gewalt und Respektlosigkeit getrennt betrachten

Er plädiere dafür, physische Gewalt und beleidigendes oder respektloses Verhalten gegen Polizeibeamte sehr klar auseinanderzuhalten:
"Natürlich können die Dinge eskalieren und wenn ich auf Kommunikationsschwierigkeiten, auf ungebührliches Benehmen etc. schlecht reagiere, kann daraus Gewalt stattfinden."
Umfragen würden belegen, dass die Wertschätzung für die Arbeit der Polizei hoch sei:
"Dass die Polizei insgesamt oder ihre Arbeit nicht mehr respektiert würde, stimmt einfach nicht."
Während man auf die Gefahr von physischer Gewalt gegen die Polizei mit Vorsicht und Selbstschutz reagieren müsse, nützten bei dem, was man unter Respektlosigkeit verstehe, nur kommunikative Strategien, erläuterte Behr.
(hum)
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