Politologe Knut Bergmann

"Wir erleben die Imagination unendlicher Staatshaushalte"

08:39 Minuten
Auf der Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler wird die aktuelle Staatsverschuldung angezeigt.
2.289.505.547.258 Euro Staatsschulden zeigt die deutsche Schuldenuhr am 20.1.2021. Pro Kopf macht das etwa 27.000 Euro. © imago / Andreas Gora
Moderation: Korbinian Frenzel · 26.01.2021
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Bis in die Reihen der CDU sei die einstige Bastion "Schuldenbremse" ins Wanken geraten, sagt der Politologe Knut Bergmann. Er prophezeit einen Bundestagswahlkampf, in dem es darum gehen wird, wie man die massiven Coronaschulden zurückzahlen soll.
Videokonferenzen statt schicker Empfänge und Vorträge in vollen Sälen: Wegen Corona treffen sich die Großen aus Wirtschaft und Politik in diesem Jahr nicht in Davos, sondern rein digital zum Weltwirtschaftsforum. Es fehlt der Glanz und die persönliche Begegnung. Vielleicht passt das aber auch aus einem anderen Grund in die Zeit. Denn was haben Markt und Wirtschaft in der Coronakrise denn eigentlich noch zu melden? Hat nicht der Staat komplett das Ruder übernommen?

Derzeit erlebten die Deutschen den Staat als überaus wirkmächtigen Akteur, findet Knut Bergmann, Leiter der Kommunikationsabteilung und des Berliner Büros des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Und bis hinein in die Reihen der CDU sei die "Bastion" Schuldenbremse ins Wanken geraten:
"Was wir jetzt bei Corona erleben, ist die Imagination unendlicher Staatshaushalte." Momentan könne man mit Geld sehr viel zuschütten, warnt Bergmann. Aber: "Wir werden im Bundestagswahlkampf massiv die Debatte darüber erleben, wie diese Coronaschulden getilgt werden sollen."

NGOs werden medial mit Heiligenschein versehen

Demgegenüber setzt Bergmann weiterhin auf die Kraft des Marktes. "Der Markt ist in der Lage, wahnsinnig viel zu regeln", betont er. "Und es ist auch da immer die Frage zu stellen: Was ist die Alternative dazu?" Denen, die am Anfang der Pandemie die Knappheit an Schutzmasken als Marktversagen sahen, hält er entgegen: "Glaubt denn irgendjemand, dass man in einem nicht-marktwirtschaftlichen System hätte hinreichend Masken bevorraten können?"
Generell, so beobachtet Bergmann, habe es in den öffentlichen Diskursen eine Verschiebung hin zum Spektrum links der Mitte gegeben: "Ganz ohne Frage gibt es neue Akteure auf dem Spielfeld, was früher Wirtschaft und Politik vorbehalten war, da sind jetzt ganz stark NGOs eingerückt und andere, Aktivisten zum Teil, die aber – wie soll man sagen – mit so einer Art Heiligenschein wahrgenommen werden und medial enorm diskursprägend sind."
(uko)

Knut Bergmann, Jahrgang 1972, ist Politologe und Publizist und seit 2012 beim Institut der deutschen Wirtschaft. Er leitet dessen Kommunikationsabteilung und das Hauptstadtbüro. Bergmann war zuvor Redenschreiber bei Bundespräsident Horst Köhler und Bundestagspräsident Norbert Lammert. Er hat unter anderem das Buch "Mit Wein Staat machen. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" geschrieben.

Die ganze Sendung "Der Tag mit Knut Bergmann" zum Nachhören:
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