Politischer Kitsch

Wenn Emotion die Vernunft ausgrenzt

09:30 Minuten
Aktivisten von Fridays for Future demonstrieren mit einem Banner mit der Aufschrift "How Dare You" vor dem Invalidenplatz.
Emotionaler Ausbruch: Greta Thunbergs "How dare you" wurde zum Slogan der "Fridays for Future"-Proteste. © picture-alliance/dpa/Fabian Sommer
Alexander Grau im Gespräch mit Julius Stucke · 15.10.2019
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Kitsch findet sich nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Politik. Etwa wenn Debatten emotionalisiert ausgetragen und rationale Gegenstimmen überhört werden, sagt Alexander Grau. In seinem Buch greift er auch die "Fridays for Future"-Bewegung an.
"Deutschland versinkt im politischen Kitsch", schreibt der Philosoph und Journalist Alexander Grau in seinem Buch. Er erklärt: "Etwas ist kitschig, wenn es verniedlichend, wenn es überzogen ist, sentimental oder ein bisschen unecht."
Politischer Kitsch sei eine Form politischer Kommunikation, die sich dieser Mittel bediene: Sie appelliere penetrant an Gefühle und verspreche eine heile Welt durch einfache Lösungen, "dadurch, dass man für den Frieden ist und ökologisch, nachhaltig und unheimlich achtsam", so Grau.

Kitsch wird schnell autoritär

Als Beispiel für kitschige Kommunikation führt der "Cicero"-Autor die "Fridays-for-Future"-Demonstrationen an. Viele Aspekte würde die Bewegung ausblenden, indem sie unterkomplex kommuniziere. Allerdings, schränkt Grau ein, gehe das bei einer solchen Massenbewegung auch nicht anders.
Der Autor räumt ein, dass es üblich sei, Menschen über Emotionen zu erreichen. Die Werbung bediene sich ständig dieser Form. Allerdings sieht Grau darin die Gefahr eines Schwarz-Weiß-Zeichnens, in dem Gegenstimmen abgebügelt und Einwände diskreditiert würden. "Kitschige Kommunikation wird schnell autoritär." Dadurch wirke sie polarisierend, stoße viele ab und dadurch fühlten sich Kritiker ausgegrenzt. In einer Demokratie sei so ein "gesinnigsethischer Habitus" immer schlecht.

Rationale Argumente bleiben ungehört

Die Ursache für die Verkitschung des politischen Diskurses sieht Grau in der Mediengesellschaft: "Um überhaupt noch gehört zu werden in diesem alltäglichen Rauschen, muss man natürlich auch lauter werden, noch emotionaler werden. Das stille, rationale, sachliche Argument dringt nicht immer durch. Das ist leider Gottes so. Aber wir sollten uns vielleicht immer wieder darauf besinnen, dass es besser ist und auch dazu beiträgt, gesellschaftliche Konflikte nicht unnötig hochzukochen."
(leg)

Alexander Grau: "Politischer Kitsch. Eine deutsche Spezialität"
Claudius Verlag, München 2019
128 Seiten, 14 Euro

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