Politischer Journalismus in der Krise?

Es fehlt an kritischer Distanz

Der Journalist Ulrich Wickert
Der Journalist Ulrich Wickert © Deutschlandradio - Andreas Buron
Ulrich Wickert im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 14.11.2017
Die deutschen Journalisten machen einen guten Job, sagt Ulrich Wickert. Aber er sieht auch Fehler: zu wenig kritische Distanz gerade in der Frage Flüchtlinge und Willkommenskultur. Und er warnt davor, dass Medien die AfD immer nur als ein Problem der Anderen betrachten.
Der Journalist und langjährige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert hält die deutsche Presselandschaft für eine der besten der Welt. Zu kritisieren hat er trotzdem einiges: etwa dass es manchen Journalisten an kritischer Distanz fehle - zum Beispiel in der Berichterstattung über die Bundestagswahl und die Bundeskanzlerin, über Flüchtlinge und Willkommenskultur.

Aus dem Studio: Ulrich Wickert im Gespräch mit Korbinian Frenzel

Die gesamte Presse habe sich der Willkommenskultur verschrieben und nicht beachtet, was die Leute im Volk denken und wie so etwas bei diesen ankomme, so Wickert im Deutschlandfunk Kultur:
"Und was das auch bedeutet, dass Turnhallen plötzlich besetzt sind und dass Kinder nicht mehr in ihrem Turnclub üben können. All das ist weggefallen. Das ist ein Fehler."

Medien müssen auch die Perspektive des AfD-Wählers berücksichtigen

Der langjährige Tagesthemen-Moderator kritisiert auch den Sprachgebrauch mancher Journalisten:
"Im Deutschlandfunk höre ich nicht mehr das Wort 'Flüchtlinge', sondern 'Schutzbefohlene'. Und das lese ich inzwischen dann auch in Zeitungen. Es sind nicht nur Schutzbefohlene, die kommen – aber das ist politisch korrektes Denken. Und ich halte das für problematisch."
Die Begriffe Asylberechtigte, Migranten, Flüchtlinge, Vertriebene, Asylbewerber stehen auf einer Tafel.
Für den Begriff "Flüchtlinge" gibt es auch alternative Begriffe.© Deutschlandradio / Stefan Fries

"Wir müssen uns Gedanken über Heimat machen"

Wickert plädiert dafür, dass Medien auch die Perspektive des AfD-Wählers berücksichtigten.
"Denn wenn wir nicht dessen Perspektive kennenlernen, dann werden wir auch nicht verstehen, was wir da machen können und wie wir diskutieren müssen."
Zum Beispiel wenn es um "Heimat" geht:
"Ich bin der Meinung, wir müssen uns wirklich auch darüber Gedanken machen", sagt Wickert. "Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Begriff, weil er mit der Identität einer Person und des Kollektivs zu tun hat."
In diesem Zusammenhang kritisiert der Journalist, dass es in vielen Bundesländern möglich sei, in der Oberstufe das Fach Geschichte abzuwählen.
"Die Geschichte ist ein ganz wesentliches Element, um Heimat überhaupt zu vermitteln."
Der frühere Tagesthemen-Moderator warnt außerdem davor, dass Medien die AfD und deren Wähler immer nur als ein Problem der anderen betrachten:
"Führende Personen in der AfD sind bei der FAZ gewesen, sind bei der ARD Korrespondenten gewesen – also, das geht weiter."
(uko)

Hören Sie hier die gesamte Sendung "Studio 9" mit Ulrich Wickert: Audio Player

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