Politische Sprache

Hauptsache "gut"

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey stellt "Gute-Kita-Gesetzes" in Berlin vor.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, SPD, bei der Vorstellung des "Gute-Kita-Gesetzes" im September 2018 in Berlin. © imago/photothek/Florian Gaertner
Überlegungen von Reinhard Mohr · 28.01.2019
Im Dezember hat der Bundestag das "Gute-Kita-Gesetz" verabschiedet. Dem soll das "Starke-Familien-Gesetz" folgen. Ist das eine schöne neue Welt, in der wir leben? Oder sind wir nur Meister der sprachlichen Oberfläche geworden?, fragt sich Journalist Reinhard Mohr.
Hauptsache gut, denn gut klingt gut! Das ist der aktuelle Trend des Zeitgeists. Wir sind die Guten, und das fühlt sich gut an. Für Freunde des dialektischen Denkens: Auch ein womöglich schlechtes Gewissen – angesichts des Unheils in der Welt nicht ganz unverständlich – ist ein gutes Gewissen. Denn es kommt allein auf die gute, also gutgemeinte Gesinnung an, auf die demonstrative Haltung, die in digitalen Zeiten stets nur einen Mausklick entfernt ist.

Gute Arbeit, gutes Geld

Keiner weiß es mehr so ganz genau, aber der neue, pro-aktive Sprachtrend, vor jedes Substantiv erst einmal das Adjektiv "gut" zu setzen, begann vor einigen Jahren in sozialdemokratischen Gewerkschaftskreisen. "Gute Arbeit", hieß es da, verdiene auch "gutes Geld", also "gute Löhne" im Sinne von "mehr Geld". Wer wollte das kritisieren? Die Frage war nur: Was heißt "gute Arbeit"? Und wer bestimmt, wieviel "gutes Geld" für sie bezahlt werden muss? Und von wem?
Hat der Klempner, der jeden Tag verstopfte und verdreckte Rohre reinigt, eine "gute Arbeit" – oder macht er sie nur "gut"? Beim Schriftsteller Robert Menasse verhält es sich womöglich genau andersherum: Er hat tatsächlich eine gute Arbeit – kreativ, erfüllend, preisgekrönt –, er macht sie aber nicht immer gut, Stichwort: gefälschte Zitate, erfundene Geschichten.
Doch diese beckmesserischen Erwägungen führen gesellschafts- wie sprachpolitisch in die Irre, denn so genau will es heutzutage niemand mehr wissen. Pro bono contra malum, für das Gute, gegen das Schlechte – so hieß ehedem auch eine Rubrik der satirischen Zeitschrift "Pardon", die unter diesem Label allerdings jede Menge Schabernack betrieb – damals, als es noch keine "heute Show" gab, die den Zuschauern genau sagt, wann es lustig wird und wann nicht.

Politik der leichten Sprache

Die offizielle Politik hat aus all dem Konsequenzen gezogen und legt jetzt mit Vorliebe Gesetze vor, deren schlichte Namensgebung schon verrät, dass die nahe Zukunft noch viel, viel besser wird als die Gegenwart. Zum Beispiel das "Gute-Kita-Gesetz", das "Starke-Familien-Gesetz" und die "Respekt-Rente". Das ebenso gut gemeinte "Baukindergeld" erfüllt zwar offenbar seinen Zweck nicht, weckt dafür aber wunderbare Erinnerungen an die Kindheit mit lauter bunten Bauklötzchen, Legobausteinen und Märklin-Eisenbahnen. Eine davon hat Horst Seehofer noch im Keller.
Die Bundesregierung hat begriffen, dass ellenlange und schwer verständliche Gesetzestitel in der Öffentlichkeit nur Verwirrung stiften und die stets grundgute, moralisch einwandfreie Absicht dahinter nicht ausreichend hervorstechen lassen. Das war nicht immer so. Noch 2009, mitten in der Finanzkrise, wurde in kalter juristischer Abstraktion das "Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz" verabschiedet. Heute würde daraus selbstverständlich das "Gute-Knete-Gesetz".

Und warum nicht gleich ein "Schöne-Wort-Ministerium?

Für besonders schwierige Fälle bräuchte es womöglich ein Schöne-Wort-Ministerium oder zumindest eine Bundesbeauftragte für die Vermeidung missverständlicher oder die Wirklichkeit in unangemessener Weise verfehlender Formulierungen.
Die oberste Maxime bei dem Versuch, die Welt durch Sprache besser zu machen, gilt dem Bestreben, hässliche Widersprüche und Interessengegensätze zumindest semantisch abzuschaffen.
Aber ganz so leicht ist es nicht, das Ansinnen, auch unschöne Vorgänge in angenehm klingende Worte zu kleiden, in die Tat umzusetzen. Zwar hat sich die Öffentlichkeit daran gewöhnt, dass bei jeder Gelegenheit die Rede davon ist, unser Land sei "bunt", "weltoffen" und "tolerant". Doch immer wieder trüben schmerzhafte Ereignisse wie das frühzeitige Ausscheiden bei der Fußballweltmeisterschaft, extremistische Ausschreitungen oder die Trennung von Helene Fischer und Florian Silbereisen die Stimmung.
Wäre es da nicht, so kurz vor dem Höhepunkt des rheinischen Karnevals, höchste Zeit für ein "Gute-Laune-Gesetz"?
Katarina Barley, übernehmen Sie! Alles wird gut. Versprochen.

Reinhard Mohr, geboren 1955, ist Journalist und Autor. Er schrieb für "Spiegel Online" und war langjähriger Kulturredakteur des "Spiegel". Weitere journalistische Stationen waren der "Stern", "Pflasterstrand", die "tageszeitung" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

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