Politische Macht - notwendiges Instrument oder Droge?

10.02.2007
Macht und Politik. Selten ist dieses zwiespältige Verhältnis so deutlich geworden, wie bei dem erzwungenen Rückzug Edmund Stoibers und dem anhaltenden Kampf um seine Nachfolge als CSU-Chef.
Beispiel Nr. zwei: Der angekündigte Abschied von Friedrich Merz (CDU) aus der Politik. "Auch dies ist ein gutes Beispiel, wie Macht in der Politik funktioniert", sagt der Journalist Jürgen Leinemann. Merz habe die Regeln, nach denen in Berlin gespielt wird, nie mitgespielt. Er habe sich damit selbst ins Aus gestellt, den Machtkampf mit Angela Merkel hatte er längst verloren. Der langjährige "Spiegel"-Redakteur kennt die politischen Überlebensregeln wie kaum ein anderer. Der 69-Jährige zählt zu den profiliertesten Beobachtern der deutschen Politik, über vier Jahrzehnte erlebte er hautnah mit, wie das Amt und die Macht Politiker zunehmend verändern.

Seine Einschätzung: Viele Politiker sind Junkies, Abhängige, süchtig nach Macht und Anerkennung. Sie leben abgekoppelt von der Realität, in einem abgeschlossenen Kosmos, meist fern der Familie, fern von jeglichem Alltag und damit auch fern der Lebenswirklichkeit derer, die sie vertreten sollen. Wer es bis ganz nach oben geschafft habe, so seine Erfahrung, lerne die Öffentlichkeit und die Macht als Droge zu genießen, Statussymbole wie Leibwächter, gepanzerte Limousinen und Hotelsuiten trügen zu dem zunehmenden Höhenrausch bei.

"Höhenrausch" nannte Leinemann auch sein Buch, in dem er die wirklichkeitsleere Welt der Politiker analysiert und das im Jahr 2004 für Diskussionen sorgte.
Journalisten spielen für Leinemann in dem Machtgefüge eine nicht zu unterschätzende Rolle.
"Wir sind mit der Politik symbiotisch verbunden. Die Beziehung zwischen Politikern und Journalisten ist enger denn je, ja zu eng, wobei wechselnd mal der eine, mal der andere der Parasit ist", so Leinemann in einem Interview mit der Zeitschrift "Cicero". Das Fernsehen verstärke diesen Höhenrausch zudem, indem es den Politikern die nötige Plattform biete, ihr Ego aufzublähen und diese Ersatzwirklichkeit zudem in die Wohnzimmer transportiere.

Seine Forderung: Leinemann plädiert dafür, diese Machtmechanismen auch nach außen hin transparent zu machen. Der Zuschauer und damit der Wähler müsse wissen, welche Regeln im Politgeschäft gelten. Er benötige eine Art Erkennungssystem, um Inszenierung und Machtausübung von einander unterscheiden zu können. Diese Medienkompetenz müsse schon in der Schule gestärkt werden.

- Politische Macht – notwendiges Instrument oder Droge ?
- Wie beeinflusst Macht die Politiker und damit unser politische Realität?
- Wer spielt wie mit im Machtkarussell der Politik und wer profitiert davon?

"Macht und Politik" – Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:07 bis 11 Uhr mit dem Journalisten Jürgen Leinemann, in der Sendung "Radiofeuilleton – Im Gespräch". Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800/2254- 2254 oder per E-Mail unter
gespraech@dradio.de.


Literaturhinweis:
Jürgen Leinemann: Höhenrausch. Die wirklichkeitsleere Welt der Politiker
Verlag: Blessing. 2004