Politische Erziehung im Zeichentrickfilm

Karl Marx für die Generation Internet

04:14 Minuten
 Screenshot des chinesischen Anime-Films über Karl Marx.
Die chinesische Videoplattform bilibili hat einen Anime-Film über Karl Marx herausgebracht. © Deutschlandradio Screenshot / Youtube Hongqiu Zhang
Von Axel Dorloff  · 22.02.2019
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Die Theorien von Karl Marx gehören in China bis heute zur offiziellen Staatslehre. Damit diese auch bei jungen Menschen ankommt, nutzt die Partei immer öfter Comics als Propaganda-Instrument. Seit Kurzem läuft auch eine Anime-Serie über Marx.
Links Friedrich Engels, in der Mitte Karl Marx, rechts seine Frau Jenny von Westphalen. Die drei Hauptfiguren im chinesischen Karl-Marx-Anime. Marx als junger, gut aussehender Aktivist und Revolutionär. Auf dem Titelbild zur Comic-Serie grüßt Engels elegant mit Hut, Marx sieht aus wie ein Hipster aus dem 19. Jahrhundert.
"Ziel seiner Arbeit sei es, den Armen zu helfen, die in der Mehrheit auf der Welt seien, so Marx gleich zu Anfang."
Die Serie erzählt in sieben Teilen das Leben des deutschen Philosophen Karl Marx. Ausgestrahlt auf der chinesischen Video-Plattform Bilibili. Zhong Jun ist Chef-Drehbuchautor der Serie und stellvertretender Direktor der Propaganda-Abteilung des Parteikomitees in der Inneren Mongolei. In der nordchinesischen Provinz ist das Karl-Marx-Anime entstanden.
"Es geht um das gesamte Leben von Karl Marx. Die Serie erzählt von seinem Studium, seiner Arbeit, über Liebe und Freundschaften. Besonders im Fokus natürlich sein Leben für den revolutionären Kampf. Wir versuchen, die Entwicklung seiner großartigen Gedanken nachzuzeichnen."

Neuer Glanz für alten Revolutionär

Es ist ein Marx für junge Leute, ein charismatischer Held der Revolution. In ganz China steht Marx auf dem Lehrplan. Ob Mittelschule oder Universität. Ob Schüler, Student oder Hochschulrektor: um die Karl-Marx-Kurse kommt niemand herum. Aber sie gelten vielen als staubige und lästige Pflicht, auch wenn das so kaum einer sagen würde. Das Karl-Marx-Anime soll dem Protagonisten neuen Glanz verleihen, sagt Drehbuchautor Zhong.
"Der Marxismus, vor allem Marx mit seinem Vollbart, das ist wie ein Etikett an der Wand. Dieses Bild lebendig zu machen, darum geht es in unserem Prozess der Popularisierung des Marxismus. Theorieforscher, die Propagandaabteilung der Partei und unsere Filmgruppe in der Inneren Mongolei haben gemeinsam daran gearbeitet – und diesen Trickfilm produziert."
"Ich liebe dich, unsere Seelen fließen ineinander, Jenny", so Marx zu seiner Frau Jenny von Westphalen.
Ein intimer Blick in das Leben von Karl Marx, nicht frei von Kitsch. Im Mai vergangenen Jahres hat auch China den 200. Geburtstag des deutschen Philosophen groß gefeiert. Mit einer Festveranstaltung in der Großen Halle des Volkes und einer Rede von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Der bezeichnete Marx als größten Denker der Menschheit. Auch die Comic-Serie wurde anlässlich des Marx-Jubiläums produziert. Mit einer überzeichneten Heldenfigur, sagt ein kritischer Autor aus Peking, der sich Chen nennt.
"Diese Comic-Serie lässt Marx äußerst sympathisch erscheinen. In unseren Köpfen ist Marx immer das Bild an der Wand, mit Engels, Lenin, Stalin und Mao, vollbärtig. Dieses Image ist nicht so wahnsinnig beliebt. Deshalb machen sie über Marx jetzt einen Zeichentrickfilm, um junge Leute zu erreichen. Und damit die Propaganda auch funktioniert, verändern sie das Image des Protagonisten."
Screenshot des chinesischen Anime-Films über Karl Marx.
In der Serie erscheint Marx nicht nur mit dem bekannten grauen Bart, sondern als jugendlicher Held. © Deutschlandradio Screenshot / Youtube Hongqiu Zhang

Peking arbeitet an Marxismus-Revival

Seit einigen Jahren predigt die politische Führung in Peking ein Marxismus-Revival. Zurück zu den sozialistischen Kernwerten. Das passt ins Bild der "Neuen Ära des Sozialismus chinesischer Prägung", die Staats- und Parteichef Xi Jinping als Überschrift für seine Amtszeit gewählt hat. Und deshalb braucht es auch Marx für junge Leute, sagt Kritiker Chen.
"In Zeiten der Sozialen Medien ist der Propaganda-Abteilung der Partei sehr bewusst, dass sie ihre Werte und Theorien in anderen, lebendigeren Formen verbreiten muss. Sie haben verstanden, dass die herkömmlichen Propagandamethoden zu altmodisch sind. Der veraltete und gekünstelte Ton ist ja schon widerwärtig. Deshalb probieren sie in den sozialen Medien neuen Dinge aus."
Die Comic-Serie zu Karl Marx auf einer Video-Plattform ist nicht der erste Versuch der chinesischen Propaganda, Karl Marx populär zu machen. Karl Marx war in China bereits Rap-Ikone. Der Song "Marx, du bist ein Post 90er" macht den Begründer des Kommunismus zum Teil der jungen Generation. "Wir lieben Dich. Nicht, weil wir auf Macht oder Geld stehen. Sondern um des Glaubens Willen", heißt es im Text der chinesischen Hip-Hop-Band Parfüm. Und im Video blitzen immer wieder bunte Bilder von Karl Marx auf.

Mehr Netzinhalte im Sinne der Partei

"Im Internetzeitalter spürt die Partei sehr deutlich, dass sie dabei ist, nicht nur junge Leute sondern auch andere Chinesen zu verlieren. Das ist auch der Grund, warum sie die sozialen Medien und das Internet in ihrem Sinne reinigen und kontrollieren. Viele Konten von Kritikern, auch meine in den sozialen Medien, werden einfach geschlossen."
Auch wenn die Realität des autoritären Staatskapitalismus in China vermutlich nicht das ist, was Karl Marx sich mal gedacht hatte: der kommunistischen Führung dient Marx weiter als ideologisches Vorbild. Der Marxismus ist offizielle Staatslehre. Chinas Revolutionsführer und Staatsgründer Mao Zedong soll mehr als 100 Mal das Kommunistische Manifest von Karl Marx gelesen haben, so hat es zumindest sein Bibliothekar überliefert. Das Karl-Marx-Anime auf der Video-Plattform Bilibili wurde immerhin schon über 5,5 Millionen Mal geklickt. Für einen Spitzenplatz in der Rangliste der Comic-Serien auf Bilibili reicht das allerdings nicht.
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