Politisch unkorrekt mit Musterschüler-Image

Von Beate Moeller · 27.05.2008
Der 24-jährige Erik Lehmann ist die große Nachwuchshoffnung im politischen Kabarett. Drei Soloprogramme hat er schon über die Bühne gebracht, dazu zwei Kurzfilme gedreht. Zurzeit hat er ein Engagement beim Traditionskabarett Herkuleskeule Dresden. Privat gibt er sich gerne bieder, auf der Bühne führt er das Korrekte ins Groteske über.
Das Cordjackett dunkelblau, die blonde Kurzhaarfrisur ordentlich geschnitten, die Haltung korrekt und aufrecht. Der schlanke, mittelgroße junge Mann sieht aus, als könne er kein Wässerchen trüben. Freundlich und bescheiden lächelt er, wirkt schon geradezu harmlos.

"Kabarett ist wie Theaterspielen, ohne dass man's gleich merkt."

Erik Lehmann lebt asketisch. Er raucht nicht und trinkt keinen Alkohol - noch nicht mal zu Silvester. Früher hätte man gesagt, er besitzt viele alte Tugenden.

"Ich bin ehrgeizig, ich bin auch fleißig, zielstrebig, aber ich weiß nicht, wo ich hin will, ich hab keinen Plan, aber ich arbeite permanent und guck dann, was passiert. Also die Herkuleskeule, das hatte ich ja nie geplant, das kam einfach. Und für solche Überraschungen bin ich immer gern zu haben."

Selbst wenn er jetzt für eine Spielzeit bei der Herkuleskeule Dresden unter Vertrag steht, macht er kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen das angestaubte Ensemblekabarett aus dem Osten. Er möchte auf der Bühne respektlos, aber feinsinnig sein, sarkastisch und durchaus auch mal politisch unkorrekt. Zum Beispiel als Fleischermeister Engelbrecht:

"Schweinefleisch macht Kinder froh und Muslime ebenso."

Schon auf dem Gymnasium gründet Erik Lehmann seine eigene Theatergruppe, die "Sketch Show". In jedem Schulhalbjahr wird ein abendfüllendes Programm von zwei mal 45 Minuten produziert.

"Da wurden Loriot-Sketche und Karl-Valentin-Klassiker gespielt, ganz genau nachgespielt in Mimik, Gestik und Dialekt - und was alles dazu gehört, und das war die alte Schule im Selbststudium, und dann kam das Kabarett."

Nach dem Abitur löst sich die Theatergruppe auf. Erik Lehmann ist auf sich allein gestellt.

"Fernseher angemacht, Scheibenwischer gesehen zum ersten Mal, geguckt, dann hab ich gesagt: aha, öhö, ehem. Wie nennt sich das? Politisches Kabarett. Gut. Liest du mal Zeitung, kümmerst dich mal ein bisschen mehr, guckst mal mehr Nachrichten, mehr Politmagazine an. Und ein halbes Jahr später stand das erste Programm."

Die Themen findet er in der Wirtschaft und in der Politik. Seine Lieblingsfigur darf in jedem Programm auftreten. Edmund Stoiber im Trachtenjanker.

"Ich bin bis auf weiteres bayerische Bundeskanzlerin. Das bin ich, und das werde ich auch bleiben. Und die Frau Pauli. Ich lasse mich von einer fränkischen Landratte, Landrätin, lasse ich mich nicht vom Eisberg schubsen, der bereits am Schmelzen ist. Das lasse ich nicht zu. Ich bin doch kein Eisbär, eh, eh, kein Hund."

Erik Lehmann ist der Sohn einer Prokuristin und eines Berufsschullehrers. Beide fanden seinen Entschluss, Kabarettist zu werden, zunächst ganz "furchtbar".

"Nicht, was ich gemacht habe auf der Bühne, das fanden sie klasse. Die kannten politisches Kabarett vorher auch nicht. Sie fanden nur die Idee, dass ich nichts studiere und dass ich das später vielleicht mal beruflich mache, ganz gruselig und überhaupt nicht korrekt."

Mit zunehmendem Erfolg haben sie sich an den Gedanken gewöhnt. Erik Lehmann ist davon überzeugt, dass er die künstlerische Ader seinen Großeltern zu verdanken hat.

"Die sind Opernsänger gewesen, obwohl ich Singen nicht mag und nicht kann. Von daher ist nichts hängen geblieben. Aber sagen wir mal der Drang, auf die Bühne zu gehen, der kommt wahrscheinlich von daher. Das Künstlerleben."

Nach dem Auftritt setzt er sich gerne noch mal bis zum frühen Morgen an den Schreibtisch. So sind auch seine Kurzfilme entstanden. Den dritten möchte er bis zum Sommer geschnitten haben. Danach soll diese Arbeit ruhen. Von der Liebe zum Kino lebt im Moment nur die Liebe zur Filmmusik weiter. Seine Lieblingsband T. Rex hat er in Haußmanns "Sonnenallee" entdeckt.

Der Kabarettist mit dem Musterschüler-Image spielt gerne widerliche Typen: Einen Journalisten, der verrückt nach Katastrophen ist, einen Arzt, der seine Seele an die pharmazeutische Industrie verkauft hat, oder einen General, der mit Hingabe den nächsten Krieg plant.

"Und das scheint mir auch zu liegen, dieses Schmierige. Also das bringe ich vielleicht auch ein wenig aus dem Privaten mit. Ich bin durchaus ein bisschen bieder und ein bisschen konservativ. Ganz anders als meine Altersgenossen, die in die Disco gehen und abfeiern und wasweißichnichtalles veranstalten. Das mach' ich alles nicht. Ich bin ja sehr korrekt, und das bringe ich schon mit auf die Bühne und das führe ich natürlich ad absurdum."

"Die Bundesregierung arbeitet ja mittlerweile daran, das Renteneintrittsalter und das Lebensaustrittsalter zu synchronisieren."

Die unsympathischen Figuren spielt Erik Lehmann so überzeugend, dass sie ihm manchmal persönlich übel genommen werden. Das schönste Kompliment für einen Kabarettisten.

"Ich will ja mit meinem Kabarett nicht Einheits-Comedy-Brei bieten, wo jeder lachen kann und aus dem Lachen nicht mehr rauskommt, sondern ich will ja anecken und streitbar sein."