Politisch und literarisch zu kurz gesprungen

21.11.2011
"Landpartie mit drei Damen" ist ein missratenes Werk der ansonsten wunderbaren englischen Gesellschaftsautorin Nancy Mitford - nicht zuletzt, weil sein Humor die Umtriebe englischer Faschisten in den 30er-Jahren verharmlost. Die Autorin wird hier von ihrer brillanten Scharfzüngigkeit verlassen.
Eine Weile war sie Kult, auch auf dem deutschen Büchermarkt: Nancy Mitford (1904-1973), die in ihren Romanen boshafte Porträts der englischen Oberschicht in den 30er Jahren lieferte, von Snobs, Parvenüs, tumben Nichtstuern, mit allen Wassern gewaschenen jungen Damen und rivalisierenden Liebhabern. Es sind amüsante Gesellschaftskomödien um Schein und Sein, die auch heute noch durch ihren herrlich leichten Witz bestechen. Nach dieser bewährten Rezeptur ist auch der Cocktail um die "Landpartie mit drei Damen" gemischt. 1935 in England erschienen, wurde der Roman jetzt zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt.

Um ihr notorisch knappes Budget ein für alle Mal zu sanieren, suchen zwei Sprösslinge aus besten Londoner Kreisen nach einer reichen Erbin in der Provinz. Die Dichte an vermögenden jungen Damen im heiratsfähigen Alter scheint hier besonders groß: mit einer vor den Nachstellungen ihres Verlobten untergetauchten Millionärin, deren unglücklich verheirateter Busenfreundin sowie der bei ihren steinreichen Großeltern verwildert aufwachsenden Eugenia, die ihre Bulldogge "Reichshund" ruft und jedem ein Aufnahmeformular der "sozialunionistischen Partei" unter die Nase hält. Nach allerlei Turbulenzen um falsche Identitäten, charmante Betrügereien und gelöste Verlobungen spricht am Ende dann doch die (das Pekuniäre nicht völlig vernachlässigende) Stimme des Herzens.

Nancy Mitford hat sich für ihr rasantes Gesellschaftspotpourri wie gewohnt an Personen ihrer nächsten Umgebung bedient. So stand für die "gute Partie" auf dem Lande ihre Schwester Diana Pate. Diana Mitford, eine glühende Hitler-Verehrerin, war zu dieser Zeit die Geliebte von Oswald Mosley, dem Führer der British Union of Fascists, den sie dann auch heiratete. Auch wenn der Roman die Nationalsozialisten deutlich auf den Arm nimmt, ist sein Humor für eine politische Groteske viel zu harmlos, vielfach klingt er unbehaglich-gequält. Stellenweise verlässt sie ihre sonst so brillante Scharfzüngigkeit, was an der Unentschiedenheit der Autorin selbst liegen mag. Wie in dem aufschlussreichen Nachwort von Charlotte Mosley erläutert, wollte Nancy Mitford es sich einerseits mit der geliebten Schwester nicht verderben, zum anderen war sie selbst in dieser Zeit gegen einen Flirt mit dem Nationalsozialismus nicht gefeit. Fünf Jahre später allerdings verriet sie deren volksverräterische Umtriebe sogar an den englischen Geheimdienst.

Im Nachhinein scheint Nancy Mitford gewusst zu haben, dass sie mit diesem Buch politisch, aber auch literarisch zu kurz gesprungen war. Als sie 1951 von ihrem Verleger zu einer Neuauflage von "Landpartie mit drei Damen" gedrängt wurde, wollte sie das Buch keinesfalls noch einmal unter ihren gedruckten Werken sehen.

Der Graf-Verlag, der uns - bisher ein Gütesiegel - wunderbare Fundstücke aus der Literatur der 30er Jahre zugänglich machte, das Werk von Sibylle Bedford etwa, war nicht gut beraten, seine Neuedition der hierzulande vergriffenen Romane Nancy Mitfords ausgerechnet mit diesem durchaus lustigen, aber letztlich missratenen Werk zu beginnen. Wer den überbordenden Witz dieser Autorin ungetrübt genießen möchte, der warte lieber auf die funkelnden "Englische(n) Liebschaften" oder die boshaft-heiter durchwärmte "Liebe unter kaltem Himmel."

Besprochen von Edelgard Abenstein

Nancy Mitford: "Landpartie mit drei Damen"
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork
Graf-Verlag, München 2011
248 Seiten, 16,99 EUR
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