Polens Verfassungsgericht

Rechtsstaat in Gefahr?

Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo hält im Europaparlament in Straßburg eine Rede zur Lage in Polen.
Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo macht der EU-Kommission schwere Vorwürfe. © picture alliance / dpa / Patrick Seeger
Von Florian Kellermann · 21.05.2016
Nachdem die rechtskonservative Regierungspartei PiS den Spielraum des Verfassungsgerichts eingeschränkt hat, wirft die EU-Kommission einen prüfenden Blick auf das Land. In einer Stellungnahme übt sie deutliche Kritik an der Regierung. Und die kontert.
Die EU-Kommission hat offenbar eine Stellungnahme vorbereitet, die deutliche Kritik an der polnischen Regierung übt. Nach Informationen der Tageszeitung "Rzeczpospolita" heißt es dort, in Polen sei der Rechtsstaat in Gefahr. Das Verfassungsgericht könne nicht mehr effektiv arbeiten, mit dem Ergebnis, dass in Polen die Menschenwürde nicht mehr unter dem ihr gebührenden Schutz stehe, ebenso die Freiheit, die Demokratie und die Gleichheit vor dem Gesetz. Mit einer solchen Stellungnahme würde die EU-Kommission klar machen, dass Polen in ihren Augen gegen den EU-Vertrag verstößt. Sie würde damit das Verfahren gegen Polen, an dessen Ende Sanktionen drohen, verschärfen.
Die polnische Regierung geht dennoch weiter auf Konfrontationskurs mit Brüssel. Das machte Ministerpräsidentin Beata Szydlo von der rechtskonservative Partei PiS bei einer Rede im polnischen Parlament deutlich.
"Wir wollen, dass Europa unsere Entscheidungen achtet, unsere Traditionen. Wir wollen, dass Europa unsere Souveränität achtet wie die aller europäischer Länder. Die polnische Regierung wird sich nie einem Ultimatum beugen. Die polnische Regierung wird nicht erlauben, dass den Polen ein fremder Wille aufgezwungen wird. Ich wiederhole noch einmal: Ich bin Europäerin, aber vor allem bin ich Polin."

Ministerpräsidentin Szydlo stellt Autorität der EU-Kommission in Frage

Beata Szydlo stellte die Kritik der EU-Kommission als Angriff auf Polen als Staat dar. In vielen europäischen Kriegen seien Polen gestorben, nicht nur für die Freiheit ihres Landes, sondern auch für die Freiheit Europas, erklärte sie. Und erhob ihrerseits schwere Vorwürfe gegen Brüssel:
"Nicht Polen hat heute ein Problem mit seinem Ansehen und mit seiner Autorität, sondern die EU-Kommission. Ist das ein ernsthafter Partner, der es erlaubt, dass Informationen durchsickern, noch während wir einen Dialog mit ihm führen. In der EU-Kommission gibt es offenbar immer mehr Personen, denen daran liegt, die EU zu zerschlagen anstatt sie weiterzuentwickeln."
Die polnische Regierung sieht sich getäuscht. In den vergangenen Wochen gab es offenbar versöhnlichere Signale aus Brüssel. Eine Kompromisslösung für das Verfassungsgericht, die Polen vorgeschlagen habe, sei von der EU-Kommission zunächst akzeptiert worden, erklärte Außenminister Witold Waszczykowski. Er warf der EU-Kommission deshalb "Betrug" vor.

Bürgerplattform spricht Ministerpräsidentin Dialogfähigkeit ab

Bei der polnischen Opposition stießen die Äußerungen von Ministerpräsidentin Szydlo und Außenminister Waszczykowski auf Entsetzen. Grzegorz Schetyna, Vorsitzender der rechtsliberalen Bürgerplattform, erklärte:
"Ich war überzeugt, dass niemand nach der demokratischen Wende 1989 das einmal über eine Ministerpräsidentin sagen wird: Polen schämt sich für Sie, Frau Ministerpräsidentin. Sie sind unfähig zusammenarbeiten und Gespräche zu führen, Sie achten die polnische Verfassung nicht und auch nicht die Europäische Union."
Die Abgeordneten der Regierungspartei PiS verließen aus Protest gegen diese Vorwürfe den Saal. Am Nachmittag verabschiedete das Parlament mit der Regierungsmehrheit einen Beschluss: Die Regierung solle sich Angriffen auf die Souveränität Polens entgegenstellen, heißt es dort.
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