Pofalla: "Warnschussarrest" ist der richtige Weg

Moderation: Birgit Kolkmann · 04.01.2008
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat sich hinter Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestellt und dessen Vorschlag eines "Warnschussarrests" zur Bekämpfung von Jugendkriminalität unterstützt. Die vorhandenen rechtlichen Instrumentarien reichten nicht aus, betonte Pofalla.
Birgit Kolkmann: Eine Warnung ist eine Warnung, und eine Strafe ist eine Strafe. Was aber ist ein Warnschussarrest? Eine Warnung vor Strafe? Oder eine Strafe, die vor weiteren Strafen warnen soll? Das Wort könnte auf der Hitliste für das Unwort des Jahres landen. Ob ein Warnschussarrest, wie ihn manche Unionspolitiker jetzt fordern, jugendliche Gewalttäter davor bewahrt, dass ihnen die Sicherungen durchbrennen, ist heftig umstritten. Erziehungscamps, Erwachsenenstrafrecht ab 18, höhere Höchststrafen, das will vor allem Hessens Ministerpräsident Koch angesichts der brutalen Überfälle Jugendlicher in den letzten Wochen. Und ihm wird Populismus kurz vor der Landtagswahl vorgeworfen. Ein Populismus, vor allem auf Kosten junger Ausländer, der ihn vor dem Verlust der absoluten Mehrheit in Wiesbadener Landtag bewahren soll. Heute trifft sich der CDU-Bundesvorstand in Wiesbaden zu einer Klausurtagung. Wir sind jetzt mit Generalsekretär Ronald Pofalla verbunden. Schönen guten Morgen!

Ronald Pofalla: Guten Morgen!

Kolkmann: Herr Pofalla, wie finden Sie die Idee mit dem Warnschussarrest?

Pofalla: Ja, Roland Koch handelt absolut richtig. Wir müssen konsequent gegen die hohe Jugendkriminalität vorgehen. Es darf nicht tot geschwiegen werden, dass fast die Hälfte der jugendlichen Gewalttäter nicht deutscher Herkunft sind. Die Gewaltkriminalität ausländischer Jugendlicher ist schon lange ein Problem in Deutschland. Die vorhandenen rechtlichen Instrumentarien reichen ganz offensichtlich nicht aus und der Warnschussarrest ist ja eine Idee eines Bündels von Maßnahmen, um dieser fatalen Entwicklung im Bereich der Jugendkriminalität begegnen zu können. Und zum Warnschussarrest vielleicht nur die Anmerkung: So kann doch dem Jugendlichen durch den Warnschussarrest klar werden, was auf ihn in der Zukunft zukommt, wenn er sich nicht ändert und verhindert, dass sozusagen eine solche Entwicklung durch den Staat nicht sanktioniert wird. Und deshalb glauben wir, dass ein solcher Warnschussarrest, der ja nur ganz wenige Tage dauern soll, der richtige Weg ist, im Falle von Bewährungsstrafen bei renitenten jugendlichen Kriminellen zu reagieren.

Kolkmann: Nun sagen Sie, dass Roland Koch ganz richtig handelt. Seine Herausforderin, Andrea Ypsilanti, von der SPD sagt, er suche nach seiner bekannten Methode Sündenböcke für seine verfehlte Politik. Dass so viele junge Leute mit Immigrationshintergrund straffällig werden, gewalttätig werden, das hat ja auch mit einer verfehlten Integrationspolitik zu tun. Und für die ist ja auch die Union verantwortlich?

Pofalla: Jetzt nehme ich allerdings diese Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel völlig in Anspruch, dass diese Bundesregierung zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einen Integrationsgipfel durchgeführt hat ...

Kolkmann: Haben Sie völlig Recht. Entschuldigen Sie, dass ich an dieser Stelle unterbreche, das ist ja richtig. Aber das, was wir jetzt zu beobachten haben an Gewalttaten, das sind ja die Folgen einer verfehlten Politik in den letzten Jahrzehnten.

Pofalla: Ja, aber jetzt reden Sie doch mit jemanden, der schon seit Jahren, übrigens weil er auch im Bereich der Jugendkriminalität selber gearbeitet hat, übrigens auch bei der Staatsanwaltschaft, als ich dort als Referendar tätig gewesen bin. Wir haben doch seit mehreren Jahren, im Jahre 2003, im Jahre 2004 über den Bundesrat verschiedene Initiativen in Gang gesetzt, die damals von Rot-Grün und jetzt von Frau Zypries und Herrn Beck verhindert worden sind. Und wir erwarten jetzt von den Sozialdemokraten, dass wir schnell handeln. Die Sozialdemokraten müssen ihr Verhalten ändern. Und lassen Sie mich noch meine Anmerkung abschließen zum Integrationsgipfel. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik haben wir über 600 Maßnahmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen und den gesellschaftlichen Gruppen vereinbart, um Integration von Menschen mit Immigrationshintergrund in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Beides zusammen ist richtig und nur eins zu machen, wäre falsch.

Kolkmann: Da hat natürlich die Union, auch unter Angela Merkel, auch eine ziemlich Kehrtwendung vollzogen. Denn bis noch vor gar nicht langer Zeit hat sie ja vehement abgestritten, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Sie sprachen gerade an, dass Sie ja auch selber im Bereich des Rechts sind und in der Staatsanwaltschaft gearbeitet haben im Bereich der Jugendkriminalität. Ich möchte gerne Ihnen zitieren, Anwaltsverein und Richterbund haben ja scharf ablehnend reagiert, auf das, was die Union, was gerade Roland Koch auch vorgeschlagen hat - und der Vorsitzende des Richterbundes sagte: "Die Politik unterliege erneut der Versuchung, Fragen des Strafrechts für schnelle und plakative Botschaften zu missbrauchen. Das Thema sei aber viel zu ernst, um vor Wahlen immer wieder missbraucht zu werden." Das sind deutliche Worte. Was sagen Sie dazu?

Pofalla: Mich beeindruckt das nicht, dass die Berufsverbände wieder auf der falschen Spur sind. Das sind sie ja übrigens schon seit mehreren Jahrzehnten. Einerseits gibt es ganz offensichtliche, rechtliche Defizite, wie wir bei einem jungen Menschen, der zunächst als Kleinkrimineller anfängt, aber bei dem vorhersehbar ist, wenn wir nicht eingreifen, und wenn wir keine Stoppzeichen aufstellen, wir eine Entwicklung hin zu einem Schwerkriminellen haben. Dieses Handlungsinstrumentarium muss verfeinert werden. Und der Warnschussarrest ist einer von mehreren Maßnahmen, die wir vorschlagen. Ich bin gänzlich anderer Auffassung.

Kolkmann: Nun hat ja die Kanzlerin auch selber gesagt, das muss sehr viel differenzierter angegangen werden. Und das ist nicht nur eine Frage des Rechts und des Nacharbeitens dann im Strafrecht, sondern das geht schon los mit Bildung, Ausbildung und Betreuung. Es ist eine sozialpolitische Frage, die viel früher angegangen werden muss.

Pofalla: Deshalb sprechen wir ja in Wiesbaden, ja auch in der Wiesbadener Erklärung, auch von den anderen Teilen.

Kolkmann: Also die Wiesbadener Erklärung ist schon fertig?

Pofalla: Die Wiesbadener Erklärung ist im Entwurf fertig, und die wird jetzt heute Abend und morgen im Bundesvorstand beraten. Und wir werden dort im Wesentlichen drei Elemente enthalten haben. Wir werden deutlich machen, dass wir weiter einen Kurs für Wachstum und Beschäftigung brauchen, weil die weitere Senkung der Arbeitslosigkeit, übrigens auch eine andere Form von sozialer Integration ist, weil Arbeit ja nicht nur Broterwerb ist, sondern auch soziale Integration, soziale Kontakte. Wir werden deutlich machen, dass wir einen Maßnahmenkatalog für Familien und Kinder in Deutschland brauchen, um die Erziehungskompetenz der Familie weiter zu stärken und zu festigen. Und deshalb sprechen wir uns beispielsweise dafür aus, dass wir zum 1.1.2009 das Kindergeld für Familien mit Kindern in Deutschland erhöhen wollen. Und wir sprechen im dritten Teil uns für den Bereich der Jugendkriminalität, für einen Dreiklang von Vorbeugen, Hinsehen und Eingreifen aus. Und Roland Koch, davon bin ich überzeugt, wird eine breitere Unterstützung des Bundesvorstandes der CDU für seine Vorstellungen finden.