Podcasts aus der Politik

Mehr Persönlichkeit, weniger Wahlprogramm?

46:13 Minuten
Rückansicht eines Redners am Podium
Rückansicht eines Redners am Podium © imago images / Ikon Images / Gary Waters
Von Heiko Behr und Carina Fron – mit Yasemin Yüksel · 22.05.2020
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Wahlkampf ist längst mehr als Plakate und Fernsehspots: Podcasts werden als Plattform genutzt, aber selten gut. Wir analysieren mit "Stimmenfang"-Podcasterin und Spiegel-Journalistin Yasemin Yüksel drei prominente Podcasts aus der Politik.
Herausragende Politikerinnen und Politiker gelten mitunter auch als ausgezeichnete Rednerinnen und Redner. Es gehört zu ihrem Beruf, mit Menschen in den Dialog zu treten, Reden zu halten und rhetorisch mehr oder weniger geschickt ihre Botschaften zu platzieren. Auf dem Papier also möglicherweise ideale Bedingungen, um neben dem Hauptamt Politik auch einen Podcast zu starten.
Dennoch haben in den vergangenen Jahren bisher eher vereinzelte Politikerinnen das Podcasten für sich entdeckt – und noch seltener wirklich gut genutzt. Das sei verschenktes Potenzial, findet unsere "Über Podcast"-Gästin: die "Spiegel"-Journalistin Yasemin Yüksel. Sie leitet das Ressort Audio beim "Spiegel" und ist sowohl Produzentin als auch Komoderatorin vom Podcast "Stimmenfang".

"Here’s the Deal": Joe Biden aus dem Keller

Die Coronapandemie macht es auch den Politikerinnen und Politikern in den USA gerade schwer, richtig Wahlkampf zu betreiben. Ausgerechnet vor der Präsidentschaftswahl im November dieses Jahres müssen die Politiker auf eines ihrer wichtigsten Instrumente verzichten: die sogenannten Rallies. Dafür reisen sie normalerweise durchs ganze Land und treffen ihre Wählerinnen und Wähler persönlich vor Ort.
Als scheinbarer Ausgleich hat Joe Biden, der Kandidat der Demokraten, einen neuen Podcast gestartet. In dem spricht er "mit den Top-Experten des Landes" über wichtige Themen, wie Klimawandel und Wirtschaft.
Doch sein Podcast "Here’s the Deal" ist quasi aus der Not geboren – und genau so klingt der Podcast auch. "Diesen Begriff Sleepy Joe - ich will mir wirklich absolut gar nichts von Trump zu eigen machen - aber das passt schon ein bisschen auf die Art und Weise, wie er diesen Podcast gestaltet", muss "Über Podcast"-Moderator Heiko Behr feststellen.

"1 Thema, 2 Farben": Christian Lindner lädt ein

Zwei Menschen mit unterschiedlichem Background treffen und unterhalten sich. Kein besonders neues und ein recht simples Format, das aber Konzept beim Podcast "1 Thema, 2 Farben" von Christian Lindner ist.
Hier lädt sich seit 2018 jede Woche der FDP-Chef Christian Lindner Persönlichkeiten aus Kunst, Sport, Wissenschaft aber auch Politik ein, um über verschiedene Schwerpunkte zu debattieren. So spricht er zum Beispiel mit dem Rapper Eko Fresh über Integration oder mit dem Entertainer und SPD-Mitglied Ingo Appelt über das Verhältnis von Comedy und Politik.
Obwohl Lindner nicht wirklich aus seiner Rolle als Politiker rauskommt, schlägt er sich als Host dennoch an vielen Stellen echt gut. Auch "Spiegel"-Audio-Ressortleiterin Yasemin Yüksel ist positiv überrascht: "Er schafft es auch, sich zurückzunehmen. Ich finde das ganz auffallend. Manchmal klingt er dann auch anders, also nicht so wie dieser Lindner, den man von den Bundestagsreden hört oder aus den Talkshows kennt."

"Zwischenrufe": Aus dem Fragenkatalog

Der Untertitel "Der grüne Politikpodcast aus Sachsen" trifft den Nagel auf den Kopf: In "Zwischenrufe" referiert in unregelmäßigen Abständen der Abgeordnete sowie Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, über wichtige landespolitische, aber auch bundespolitische Themen.
Stichwortgeberin ist dabei seine Kollegin Lisa Stein. Sie bringt für jede Folge Fragen mit, die Lippmann dann eher monologisierend abarbeitet.
Ein Gespräch entsteht dabei nicht. Außerdem erklärt der Politiker Lippmann häufig Sachverhalte sehr kompliziert, verliert sich in dem eher klinischen Politikersprech. "Über Podcast"-Moderator Heiko Behr findet dennoch die Grundidee sehr gut und hofft, dass ich das Format noch entwickelt.

"With her": Gespräche mit und über Hillary Clinton

Der Mitbegründer der Podcast-Produktionsfirma Pineapple Street Studios, Max Linsky, wollte schon immer wissen, wie es sich anfühlt, für das US-Präsidentenamt zu kandidieren. Hillary Clinton und ihr Wahlkampfteam wollten genau diese Geschichte erzählen. So trafen sich der Podcaster und den Protagonisten der politischen Kampagne 2016 für den Podcast "With her".
Über Gespräche mit Clinton, aber auch mit ihrer Familie, Kollegen und ihrem Team lernen nicht nur Linsky, sondern auch die Hörerinnen und Hörer die Anwärterin für das Präsidentenamt 2016 besser kennen. Das war damals nicht ganz unerheblich, immerhin wurde Clinton öffentlich häufiger als zu kalt und steif bezeichnet.
Für Yüksel bleibt dieser Mix aus gewollter politischer Inszenierung und echter Transparenz bei "With her" immer eine Abwägung: "Klar, man checkt, was da die Subtexte sind. Ich nehme es ihnen ab, aber weil ich auch immer abfrage: Stimmt die Balance noch aus 'Ihr wollt etwas platzieren' und 'Was kann ich als Hörerin mitnehmen?'"

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