Platzeck ist neuer SPD-Chef

Von Wolfgang Labuhn |
Nach den Anstrengungen der Gipfelbesteigung erwarteten ihn nun die Mühen der Ebene, zitierte Matthias Platzeck ein bekanntes Wort von Bertolt Brecht, als er sich den Delegierten des Karlsruher Parteitages mit einer klugen und eindrucksvollen Rede als Nachfolger von Franz Müntefering empfahl.
Im Flachland der großen Koalition muss Platzeck nun als erstes den emotional erschöpften Sozialdemokraten neuen Mut einflößen. Das ist ihm zumindest im Parteitagsbiotop gelungen. Platzeck zog einen klaren Schlussstrich unter die Rebellion der Parteilinken und des so genannten "Netzwerks" jüngerer SPD-Politiker gegen den Führungsstil Gerhard Schröders und Franz Münteferings, und wie erleichtert die Genossen über diese geglückte Operation ihres neuen Seelendoktors waren, zeigt allein Platzecks Traumergebnis von 99,4 Prozent der Delegiertenstimmen. Das erinnere in der Tat an alte Zeiten, räumte der nach eigener Aussage "klipp und klar sozialisierte Ostdeutsche" Platzeck ein, sei aber im Gegensatz dazu regulär zu Stande gekommen.

Im Gegensatz zur CDU-Chefin Angela Merkel will Platzeck also seine ostdeutsche Herkunft offensiv einsetzen und tat dies bereits zum Auftakt mit einem so altmodisch-klaren Bekenntnis zu Deutschland, dass den Genossen in der schicken Karlsruher Messe-Halle der Atem stockte. Und 15 Jahre nach der Wiedervereinigung ist die SPD damit in Gestalt ihres neuen Vorsitzenden wohl endlich auch in Ostdeutschland angekommen nach all den verpassten Chancen der Vergangenheit.

Doch Platzeck will auch ein moderner gesamtdeutscher SPD-Chef sein. Sein Führungsstil soll kollegial und integrativ sein, und da kann man dem Nachfolger des unermüdlichen und letztlich doch gescheiterten Parteisoldaten Müntefering nur Glück im Dickicht seiner vielschichtigen Volkspartei wünschen. Ob und wie Platzecks junger Generalsekretär Hubertus Heil sich darin zurechtfinden wird, ist eines der Fragezeichen, die hinter den personellen Neuanfang der SPD zu setzen sind.

Ein weiteres gilt Platzecks Vorstellungen von der ökonomischen Belebung Deutschlands, zu der Platzeck in Karlsruhe auffällig wenig sagte. Doch gerade damit steht und fällt die große Koalition. Es wird dem neuen SPD-Vorsitzenden nicht erspart bleiben, auch dazu so klar Stellung zu nehmen wie zur Linkspartei/PDS, der jetzt größten Gefahr für sozialdemokratische Wahlerfolge.

"Links" bedeute Weltoffenheit und nicht Abschottung, Kreativität und nicht Verweigerung, sagte er Gysi und Lafontaine den programmatischen Kampf an, was auch die Präambel des künftigen Parteiprogramms schmücken könnte. Personell verjüngt und in neuer Geschlossenheit treten die Sozialdemokraten damit den mühsamen Marsch durch die Ebene der großen Koalition an, während am Horizont auch schon wieder die ersten Gipfel auftauchen, nämlich die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt in März kommenden Jahres. Sie werden erste Auskunft über den Erfolg des sozialdemokratischen "Aufbruchs Ost" geben.