Mittwoch, 24. April 2024

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ESC in Tel Aviv
Raketen, Schlager und Madonna

Einen Tag vor dem Finale des Eurovision Song Contest in Tel Aviv konstatiert Korrespondent Tim Aßmann, es sei den Veranstaltern nicht gelungen, die Politik ganz aus der Show herauszuhalten. "Vielleicht musste man an dieser Aufgabe aber auch immer scheitern", sagte er im Dlf.

Tim Aßmann im Corsogespräch mit Bernd Lechler | 17.05.2019
Die beiden Sängerinnendes deutschen Pop-Duos "Sisters" auf der Bühne
Das deutsche Pop-Duo "Sisters" bei Proben zum Eurovision Song Contest 2019 in Tel Aviv (dpa / Ilia Yefimovich)
Die zwei Halbfinals stünden symbolisch für diese Vermischung von Pop und Politik, sagt der ARD-Hörfunk-Korrespondent. Zwar hätte auf der Bühne keinerlei Politik stattgefunden, allerdings fand er die kurzen Einspielfilme bemerkenswert, die die teilnehmenden Künstler an verschiedenen Orten im Land zeigen - und das habe in mehreren Fällen bedeutet: in den besetzten Gebieten, also auf den Golanhöhen oder in Ost-Jerusalem. "Es wird so getan, als ob das Israel ist - was es aber eben völkerrechtlich gesehen nicht ist."
Der israelischen Regierung, so Tim Aßmann, könne man es aber im Grunde nicht verdenken, dass ihr daran gelegen ist, "ein positives Bild zu senden". Dazu gehöre eben die Besatzungspolitik nicht, deswegen werde sie ausgeblendet, nach dem Motto: "ESC feiern und von Politik nicht viel mitbekommen."
Jüngste Raketenangriffe trüben die Stimmung nicht
Vor knapp zwei Wochen erst wurden aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel gefeuert; Israel schoss zurück, in beiden Fällen gab es Tote und Verletzte. Auf die Stimmung vor Ort wirft das allerdings nach Aßmanns Eindruck keinen großen Schatten - trotz verstärkter Sicherheitsvorkehrungen an der ESC-Fanmeile. Die Menschen in Tel Aviv hätten im Lauf der Jahre gelernt, "wie sie im Alltag mit so etwas sehr gelassen umgehen können. Und diese Stimmung greift natürlich auf alle in der Stadt über."
BDS ist kein großes Thema
Im Vorfeld hatten sich viele Künstler und Kreative gegen einen ESC in Israel ausgesprochen, mit der Begründung, dass Israel die Menschenrechte der Palästinenser verletzt, auch die sogenannte BDS-Bewegung, die einen allgemeinen Kulturboykott gegen Israel propagiert. Das hat aber keines der qualifizierten 41 Länder bewogen, die Teilnahme am ESC zurückzuziehen. Das zeige, so Tim Aßmann, dass solche Boykottaufrufe eher einzelne Künstler und Tourneen beeinflussen könnten. "Hier bei der Eurovision ist BDS in der Tat kein großes Thema."
Politische Botschaft von Madonna?
Der größte Star, der zum ESC erwartet wird, ist Madonna, die zwei Songs singen wird - einen neuen und ihren alten Hit "Like A Prayer", dessen Vermischung von sexueller Thematik und religiöser Symbolik einst für Skandale sorgte. Ob von ihr ein politisches Signal zu erwarten ist?
Die Sängerin Madonna beim 11. Billboard Women in Music 2016 Event am Pier 36 in New York
Die Sängerin Madonna (imago stock&people)
Der jüdische Milliardär Sylvan Adams habe für Madonnas Auftritt 1,1 Millionen Euro lockergemacht, erklärt Aßmann, um mit ihr für den ESC und auch für Israel Werbung zu machen. Madonna selbst sei oft in Israel aufgetreten und habe eine enge Beziehung zum Land. "Sie hat aber auch gesagt, Menschenrechtsverletzungen werde sie verurteilen, wo immer sie stattfänden." Damit bleibe die Frage offen, "ob sie vielleicht auch selbst eine politische Botschaft senden wird."