Plädoyers im Auschwitzprozess

Dreieinhalb Jahre Haft für Gröning gefordert

Der frühere SS-Mann Oskar Gröning sitzt im Gerichtsaal in Lüneburg.
Der frühere SS-Mann Oskar Gröning sitzt im Gerichtsaal in Lüneburg. © AFP / Pool / Ronny Hartmann
Von Alexander Budde · 07.07.2015
Im Prozess gegen Oskar Gröning, Buchhalter des KZ Auschwitz, wird es wohl erst Ende Juli vor dem Landgericht in Lüneburg zu einem Urteil kommen. Dreieinhalb Jahre Haft fordert der Staatsanwalt, der Anwalt von 51 Nebenklägern hat in seinem Plädoyer kein Strafmaß gefordert.
Dreieinhalb Jahre Haft fordert Staatsanwalt Jens Lehmann in seinem Schlusswort. Als Mitglied der sogenannten Häftlingsgeldverwaltung habe Gröning an der "reibungslosen Abwicklung" der sogenannten Ungarn-Aktion mitgewirkt. Dabei waren im Sommer 1944 binnen weniger Tage mindestens 300.000 ungarische Juden in die Gaskammern getrieben und ermordet worden.
Dem damaligen Unterscharführer seien die Absicht dieser Mordaktion und deren Dimension erkennbar gewesen. Gröning habe auf der Bahnrampe das Gepäck der Todgeweihten bewacht, als die in Viehwaggons eintrafen. In seiner Uniform sei er dort Teil der Drohkulisse gewesen, habe auch an der perfiden Täuschung der Opfer mitgewirkt. Die Anklage sieht das Mordmerkmale der Heimtücke erfüllt, auch das der Grausamkeit. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Kathrin Söfker betont ...
"... insbesondere die besonderen Umstände, das grausame, fast industrielle Tötungsgeschehen, was das Konzentrationslager Auschwitz hier hervorgebrecht hat. Ein nicht vorstellbares Maß an Grausamkeit, was wir hier feststellen mussten, auch aufgrund der Vielzahl der hier vernommenen Zeugen."
Vor Gericht hatte sich Gröning zu seiner Tätigkeit in Auschwitz-Birkenau bekannt, auch eine moralische Mitschuld eingeräumt, jedoch jegliche strafrechtliche Verantwortung zurückgewiesen. Die Anklagebehörde wertet Grönings Einlassung als Geständnis. Zu seinen Gunsten spreche auch, dass Gröning sich in späteren Interviews und Zeugenaussagen mit seinen Taten auseinandergesetzt, Leugnern des Holocaust explizit widersprochen habe.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M. hatte 1985 erste Ermittlungen gegen den "Buchhalter von Auschwitz" mangels Beweisen eingestellt. Bis zu 22 Monate Freiheitsstrafe seien dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung anzurechnen, sagt Söfker ...
"... weil nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hier eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festzustellen ist."
Auschwitz-Überlebende: "Ich habe keine Furcht mehr!"
Gegen den heute 94-jähigen Gröning hätte schon vor Jahrzehnten Anklage erhoben werden können und müssen - das betont auch Thomas Walther in seinem Plädoyer. Der frühere Richter vertritt in Lüneburg 51 Nebenkläger, Überlebende und deren Angehörige. Die Versetzungsgesuche aus Auschwitz, die Gröning gestellt haben will, bezeichnet Walther als unglaubwürdig. Zwar habe sich der 94-Jährige Jährige dem Verfahren gestellt, wofür ihn Respekt gebühre, doch die Chance, mit den Überlebenden in Dialog zu treten, habe er nicht ergriffen. Ein Strafmaß fordert Walther nicht:
"Die Nebenkläger geben diesem Verfahren ein Gesicht, und Herr Gröning ist der Angeklagte, er wird verurteilt. Und dieser Urteilsspruch, dass er verurteilt wird wegen seiner Beteiligung an diesem Massenmord, das ist das eigentlich Historische an diesem Verfahren."
Die Überlebende Hedy Bohm ist noch einmal aus Kanada angereist. Sie sagt am Ende eines langen Prozesstages, dass es nicht wirklich von Bedeutung sei, ob Gröning tatsächlich ins Gefängnis muss:
"Ich habe keine Furcht mehr! Es ist ein enormer Erfolg, dass ein deutscher Richter wohl absehbar zu einem Schuldspruch gegen einen Nazi gelangen wird. Und das ist auch die Botschaft für künftige Generationen: Ein jeder ist verantwortlich für seine Taten!"
Morgen wird das Verfahren fortgesetzt. Mit einem Urteil ist wohl noch im Lauf des Juli zu rechnen.
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