"Plädoyer für Israel"

Vorgestellt von Sebastian Engelbrecht · 17.07.2005
Israel ist der Jude unter den Nationen. Das ist die These von Alan Dershowitz. Mit anderen Worten: Der Antisemitismus findet innerhalb der westlichen Welt heute keine Mehrheit, aber er bricht sich neu Bahn - in der Ablehnung des Staates Israel.
Immer wieder, so meint Dershowitz, wird der Judenstaat herausgegriffen und an den Pranger gestellt: Israel ist eine Besatzungsmacht, Israel foltert, Israel verweigert den Palästinensern ihr Selbstbestimmungsrecht.

Kritik an Israel sei berechtigt, schreibt der Jura-Professor und Anwalt Dershowitz. Er hält es aber für unerlaubt, andere Maßstäbe anzulegen als an andere Nationen. Wer über Israel urteile, solle dabei dieselben rechtlichen und moralischen Kriterien anwenden wie bei anderen Staaten und Völkern.

Gegen das Vorurteil, Israel sei rassistisch, militant und fremdenfeindlich, hält Dershowitz das Faktum: Das Land zwischen Mittelmeer und Jordan ist eine Demokratie, ist ein Rechtsstaat.

"Dieses Buch versucht, die These zu belegen, dass keine andere Nation der Weltgeschichte, die sich?. vergleichbaren Bedrohungen ausgesetzt sah, größere Anstrengungen unternommen hat, ihre hohen Grundsätze hinsichtlich eben dieser Herrschaft des Rechts zu erfüllen, und dass keine andere Nation diesem Ziel näher gekommen ist als der jüdische Staat."

In Israel werde weniger diskriminiert als in irgendeinem arabischen oder muslimischen Staat im Nahen Osten. Um diese Behauptung zu untermauern, zitiert Dershowitz zum Beispiel eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Israels, die bestimmte Techniken des Verhörs von Gefangenen verbietet. Dershowitz hat Recht. Israel ist ein Rechtsstaat. Die Regierung Scharon musste nicht zuletzt den Verlauf des Sperrzauns, der quer durch palästinensisches Territorium verläuft, aufgrund erfolgreicher Klagen vor dem Obersten Gerichtshof teilweise neu planen.

Alan Dershowitz hat sein Buch in 32 Kapitel aufgeteilt. Jedes beginnt mit einer anti-israelischen rhetorischen Frage, die der Autor in der Art eines Anwalts behandelt. "Ist Israel ein imperialistischer Kolonialstaat?" fragt er etwa und stellt dann heraus, dass die ersten Juden, die in den 1880er Jahren aus Europa kamen, Flüchtlinge waren, keine Eroberer. Sie flohen vor Antisemitismus und Armut in ein zum Teil dünn besiedeltes Land. Über die Zeit nach der ersten Einwanderungswelle Ende des 19. Jahrhunderts schreibt Dershowitz:

"Die Zahl der Muslime in den jüdischen Gebieten nahm drastisch zu, nachdem die Siedlungen der Juden aufzublühen begannen, nicht nur weil viele Araber sich von den neu besiedelten Gebieten und der frisch kultivierten Scholle angezogen fühlten, sondern auch weil die Anwesenheit der Juden eine bessere medizinische Versorgung mit sich brachte, die Kindersterblichkeit reduzierte und die Lebenserwartung der Erwachsenen verlängerte."

Auf diese Art dekliniert der Anwalt aus Harvard die ganze Geschichte des Zionismus durch, bis ins Jahr 2003. Manche Antworten sind ihm etwas holzschnittartig geraten, ja, das ganze Buch hat etwas von einem Pamphlet. Vom Unabhängigkeitskrieg des Jahres 1948 zeichnet Dershowitz ein Bild in schwarz-weiß:

"Das "Stimulans" für die Moral der israelischen Truppe war der Kampf für ihr Zuhause, für ihre Felder ... und die Verteidigung ihrer Lieben. (...) Die arabischen Soldaten dagegen führten einen Aggressionskrieg fern von zu Hause und für eine doch eher "abstrakte Sache"."

Auf Polemik hätte Dershowitz getrost verzichten können, gerade weil er sachlich an vielen Punkten recht hat. Wo aber seine Argumente dünn werden, flieht er in der Manier eines mittelguten Juristen in den verbalen Angriff. Gerade in der Darstellung des Unabhängigkeitskrieges verschweigt Alan Dershowitz, dass die israelische Armee palästinensische Zivilisten mit Gewalt vertrieb und ihre Dörfer später dem Erdboden gleichmachte.

Und wenn Anwälte Geschichte schreiben, wundert es nicht weiter, dass auch die Quellenangaben oft nur unpräzise oder gar nicht vorhanden sind.

Über solche handwerklichen Fehler dürfte sich Noam Chomsky freuen, einer der Antipoden von Alan Dershowitz in den USA, dessen Bücher im deutschsprachigen Raum ebenfalls im Europa-Verlag erscheinen. Israel und die USA, so meint Chomsky, hätten kein Interesse an einem politischen Kompromiss im Nahen Osten. Dershowitz dagegen stellt das israelische Interesse an einer Zwei-Staaten-Lösung als den roten Faden seiner Geschichte heraus.

Tatsächlich bedient sich Alan Dershowitz dabei hin und wieder chauvinistischer Argumentationsmuster, die ihn insgesamt nicht unbedingt glaubwürdiger machen. In einer Passage über die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern im Jahr 2000 heißt es:

"Indem man die Palästinenser als gleichberechtigte Verhandlungspartner akzeptiert, riskiert man, ein falsches Signal auszusenden, was Aggressionskriege angeht. Man sollte die Palästinenser als Aggressoren behandeln, die den Krieg verloren haben. Man sollte sie fair behandeln, ihnen aber keinen moralischen Anspruch auf eine gleichberechtigte Verhandlungsbasis einräumen."

Wer so schreibt, fordert den Widerspruch heraus. Dershowitz" Buch lohnt sich für alle, die Lust am Argumentieren haben. Der historischen Wirklichkeit sind andere längst näher gekommen.

Alan M. Dershowitz: Plädoyer für Israel: Warum die Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen
Europa Verlag, Hamburg/Leipzig/Wien, 2005
Alan M. Dershowitz: Plädoyer für Israel
Alan M. Dershowitz: Plädoyer für Israel© Europa Verlag