Piraten in Luxemburg

Ein "Wir-Gefühl" in Europa schaffen

Die Piraten in Luxemburg: bürgernah.
Im Gespräch mit Bürgern: Die Piraten-Parteien in Luxemburg wirbt für sich und ihr Programm. © YouTube / Piraten Lëtzebuerg / Screenshot
Chris Bernard im Gespräch mit Andre Zantow · 07.02.2019
Eine EU-weite Regelung für Mindestlöhne, Abschaffung von Geoblocking und eine Reform der EU-Agrarsubventionen - mit diesen Themen wollen Europas Piraten-Parteien im Mai bei den EU-Wahlen punkten. Dazu kommt ein altes Erfolgsrezept aus Luxemburg.
Zantow: Sechs Prozent der Stimmen holte die Piraten-Partei in Luxemburg bei den Parlamentswahlen Ende 2018. Nun sollen es bei der EU-Wahl im Mai elf Prozent werden, hofft Chris Bernard von der Luxemburger Piraten-Liste. Hallo.
Chris Bernard: Guten Tag.
Zantow: Bei Ihnen in Luxemburg steht jetzt am Wochenende der Kongress der europäischen Piraten-Parteien an. Es geht um die Verabschiedung des europaweiten Wahlprogramms. Ich vermute mit den alten Piraten-Themen: mehr Mitbestimmung, Transparenz und Digitalisierung?
Bernard: Richtig. Wir möchten stärker für die Bürger eintreten und ein gewisses "Wir-Gefühl" auch in Europa schaffen.
Chris Bernard tritt für die Luxemburger Piraten bei der EU-Wahl im Mai an. Er trägt ein Jacket und lächelt.
Chris Bernard tritt für die Luxemburger Piraten bei der EU-Wahl im Mai an.© Piraten-Partei Luxemburg
Zantow: Was bedeutet das, ein "Wir-Gefühl" schaffen - in welchen Bereichen?
Bernard: Das wäre im Familienrecht. Das heißt, dass Adoptionen in einer homosexuellen Ehe in allen europäischen Staaten gleichermaßen akzeptiert werden. Ein Mindestlohn soll eingeführt werden - von Staat zu Staat unterschiedlich. Nicht jeder Staat kann die gleiche Menge an Mindestlohn anbieten. Außerdem: Geoblocking aufheben. Und ein bisschen was in der Agrarpolitik ändern.
Zantow: Was wollen Sie in der EU-Agrarpolitik ändern?
Bernard: Jedes Land hat seine spezifischen Fähigkeiten und die sollte man nachhaltig unterstützen. Das heißt, wir würden die Subventionen besser ordnen. Denn ein ungeordneter Staat verschlingt Unsummen an Steuergeldern. Deshalb soll jedes Land nur das durchführen, was es am besten kann.
Zantow: Sie wollen EU-Agrarsubventionen kürzen, richtig?
Bernard: Kürzen in dem Sinne, dass sie besser einfließen in die Wirtschaft. Das heißt, dass wir sie nicht unbedingt streichen wollen, sondern wir würden sie nur gezielt einsetzen. Das heißt, wenn jetzt im Norden eher eine Dürreperiode herrscht und im Süden überflüssiges Wasser - wie es 2018 war, so möchten wir in diesen Fällen ganz gezielt an die Wirtschaft aufheben und nicht jedes Land mit vielen Milliarden Euro subentionieren, sondern es sollte von Land zu Land geregelt werden.

"Wir sind aus unserer Pubertät ausgestiegen"

Zantow: Bisher ist es so, dass die Piraten-Parteien im EU-Parlament kaum vertreten sind. Es gibt eine Abgeordnete. Aus Deutschland. Julia Reda. Offenbar gibt es relativ wenig Interesse der Bürger an Ihren Themen?
Bernard: Ich glaube, in der Vergangenheit waren die Themen eher aus der Luft gegriffen. Wir sind jetzt etwas bodenständiger geworden und aus unserer Pubertät ausgestiegen. Und wir sind jetzt Erwachsen geworden als Partei. Jetzt haben wir soviel Erfahrung gesammelt. Und ich glaube, wir sind jetzt gestärkter, was Mitspracherecht und politische Themen anbelangt.
Zantow: Was meinen Sie mit Mitspracherecht?
Bernard: Wir haben jetzt die Abgeordneten in Tschechien im Parlament, eine im EU-Parlament und zwei in Luxemburg. Wir können jetzt an gewisse Themen anknüpfen. Informationen besser verarbeiten. Auch die Mitarbeiterzahl wurde größer. Auch der Informationsfluss ist entsprechend besser geworden.
Die Piraten-Politikerin Julia Reda bei einer Diskussionsrunde mit Mikrofon am Mund.
Die Piraten-Politikerin Julia Reda. Sie sitzt von 2014 bis 2019 im EU-Parlament.© picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Zantow: Erleben wir gerade eine zweite Welle an Aufmerksamkeit für die Piraten-Parteien - nach dem Anfangsschwung und der Gründung 2006 in Schweden? Warum gelingt es Ihnen in Luxemburg und in Tschechien?
Bernard: Ich glaube, wir haben die richtigen Themen ausgesucht. Hauptsächlich die junge Generation haben wir angesprochen. Die Spitzenkandidaten waren die richtigen, die die richtigen Worte hier in Luxemburg gewählt haben. Die Jugend wird immer skeptischer, was wir in der ganzen EU beobachten können. Deshalb haben wir die Jugend "angedockt".

"Wir haben einen guten Link zu den Leuten"

Zantow: Wie wollen Sie die Jugend denn gewinnen. Am Wochenende verabschieden Sie ein EU-weites Wahlprogramm. Warum nicht auf die Länder jeweils abgestimmt?
Bernard: Wir haben uns das so gedacht, dass wir EU-weit mit ganzer Stärke, mit den selben Themen in Interviews die gleichen Meinungen und Ideen zu verteidigen.
Zantow: Und was können sich die anderen Piraten in Schweden oder Deutschland von Ihnen abgucken in Luxemburg?
Bernard: Was wir relativ gut können: Wir sind bürgernah. In Luxemburg gibt es ja ungefähr eine halbe Million Leute, die sehr am Luxemburger Wahlsystem interessiert sind. Und wir sind da sehr bürgernah. Wir haben einen guten "Link" zu den Leuten draußen. Das ist das, was sich bewährt hat hier in Luxemburg.
Zantow: Wieviel Prozent müsste die Piraten-Partei in Luxemburg bei den EU-Wahlen erhalten, damit Sie persönlich einziehen?
Bernard: Also mindestens elf Prozent. Jetzt liegen wir ungefähr bei sieben bis acht Prozent. Da müsste also noch eine gewisse Welle dazu kommen. Auf mehr können wir auf jeden Fall hoffen. Ob wir die elf Prozent erreichen, kann ich Ihnen nicht sagen, denn hellseherische Fähigkeiten habe ich nicht.
Zantow: Nein. Sie sind Politiker. Vielen Dank für das Gespräch.
Bernard: Ja, danke. Tschüss.
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