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Fortschritt in kleinen Schritten

Medizin. - Genau 25 Jahre ist es her, dass der tödliche Erreger der Immunschwäche AIDS erstmals beschrieben wurde. Aus diesem Anlass treffen sich internationale Forscher am Institut Pasteur zu einem dreitägigen Symposium.

Von Martin Winkelheide | 20.05.2008
    Fast alle AIDS-Medikamente richten sich direkt gegen das HI-Virus. Sie blockieren Virus-Enzyme, die HIV unbedingt benötigt, um sich im Körper eines Infizierten zu vermehren. Wenn mehrere dieser Medikamente miteinander kombiniert werden, lässt sich die Virusvermehrung oft erfolgreich unterdrücken. Der Ausbruch der Immunschwäche-Krankheit kann so viele Jahre hinausgezögert werden. Aber, so der Virologe Michael Malim vom King’s College in London, bei jedem Wirkstoff besteht die Gefahr, dass das Virus sich anpasst und resistent wird. Theoretisch zumindest. Seit einigen Jahren erforscht Malim daher, wie der Körper HIV aus eigener Kraft bekämpft, und er will Wirkstoffe entwickeln, die diese Körperabwehr unterstützen. In den Zellen, die das AIDS-Virus befällt, so Malim, gibt es Proteine, die die Vermehrung von HIV auf natürliche Weise behindern. Diese Proteine sind vor wenigen Jahren erst entdeckt worden.

    "Die Moleküle, die ich erforsche, gehören zu einer ganzen Familie von Proteinen: die so genannten APOBEC-Proteine. Wenn das AIDS-Virus eine Zelle befällt und sich darin vermehrt, dann schleust die Zelle diese Proteine in die neu entstandenen Viruspartikel ein. Wenn die Viren sich dann erneut vermehren wollen, verändert das APOBEC-Protein das Erbgut von HIV massiv. Die Folge: Es werden nur noch defekte Virus-Bausteine hergestellt. Damit ist die Infektion im Prinzip gestoppt."

    Wenn dieser natürliche Abwehrmechanismus immer reibungslos funktionieren würde, hätte das AIDS-Virus keine Chance, sich dauerhaft im Körper einzunisten. Denn es würden nur defekte und keine krank machenden Viren mehr entstehen.

    "HIV unterläuft den Abwehrmechanismus. Ein kleines Virus-Eiweiß mit Namen Vif sorgt dafür, dass die APOBEC-Proteine zerstört werden. Und so können sich die meisten HI-Viren in den Immunzellen problemlos vermehren – weil sie die APOBEC-Proteine hemmen können."

    Ganz außer Kraft setzen kann das Virus den körpereigenen Abwehrmechanismus nicht, aber es entstehen doch so viele intakte HI-Viren, dass das Immunsystem von Infizierten großen Schaden nimmt.

    "Das Ziel ist, ein kleines Molekül zu entwickeln, das sich an das APOBEC-Protein heftet – und zwar genau dort, wo sich das VIF-Eiweiß anheften würde. VIF könnte dann nicht mehr andocken, das APOBEC-Protein wäre geschützt, es würde nicht zerstört, und es könnte also ungestört die Erbinformation des Virus verändern."

    Der natürliche Abwehrmechanismus würde wieder normal funktionieren. Es würden nur noch defekte, ungefährliche Viren entstehen. Die Entwicklung eines solchen kleinen APOBEC-Schutz-Moleküls zu einem Medikament wird aber noch einige, vielleicht zehn Jahre dauern, schätzt Michael Malim.

    Unklar ist noch, ob ein solches kleines Molekül neben den erwünschten Wirkungen auch Nebenwirkungen verursachen würde und wenn ja welche. Aber Michael Malim vom King’s College in London ist optimistisch. Das APOBEC3-Protein, das ihn besonders interessiert, scheint keine weiteren lebenswichtigen Aufgaben für Zellen zu erfüllen, die durch das Molekül gestört werden könnten.