Pia Lenz über ihre Geflüchteten-Doku "Alles gut!"

"Ich bin Teil ihres Alltags geworden"

Flüchtlinge gehen am 9. Juli 2015 über das Gelände der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Hamburg Wilhelmsburg.
Solche Aufnahmestellen richtete Hamburg mehrfach ein, wie hier in Wilhelmsburg. In einer solchen Stelle fand Lenz auch ihre Protagonisten © dpa / picture alliance
Pia Lenz im Gespräch mit Timo Grampes · 27.07.2017
Pia Lenz hat mit "Alles gut!" eine Dokumentation über zwei geflüchtete Familien gedreht. Ihre Protagonisten sind zwei Kinder, eines aus einer Roma-Familie, eines aus einer syrischen Familie. Und es gelang ihr, ihnen ganz nahe zu kommen.
Wie es sich für Geflüchtete anfühlt, in Deutschland anzukommen und was das mit den vielen freiwilligen Helfern machte, das sind die Geschichten, die die Dokumentarfilmerin Pia Lenz in ihrem Film "Alles gut!" erzählen will. Sie hat sich dafür zwei Familien ausgesucht und eine sechsköpfige syrische Familie und eine dreiköpfige aus Mazedonien begleitet. Beide Familien sind in Hamburg gelandet und leben dort in einem Containerdorf im Stadtteil Holmbrook. Auf der Helferseite kommen vor allem hilfsbereite Sozialarbeiter zu Wort, die professionell oder privat und freiwillig mit den Geflüchteten arbeiten.
Die beiden Familien gehören zu den fast eine Million registrierten Geflüchteten, die im Jahr 2015 nach Deutschland kamen. Deutschland war darauf nicht gut vorbereitet und geriet in seiner Infrastruktur an seine Grenzen: Die Unterkünfte waren übervoll, die Bearbeitung der Asylanträge stockte, medizinische Versorgung konnte nicht sichergestellt werden und für viele der schulpflichtigen Kinder gab es keine Schulplätze. Tausende freiwillige Helfer sprangen damals in ganz Deutschland in die Bresche.

Tolerant, aber ganz und gar fremd

Pia Lenz empfindet das Gefühl dieser Zeit nach - nicht anhand von Extremfällen, sondern entlang zweier Familien, die aus unterschiedlichen Regionen der Welt geflohen sind und in Deutschland in einer gutbürgerlichen Umgebung ankommen müssen - die zwar tolerant, aber doch ganz und gar fremd ist.
Im Mittelpunkt des Filmes stehen zwei Kinder: Djanner, 8 Jahre alt, aus der Roma-Familie, und Ghofran, 11, aus Syrien. "Ich habe schon 2015 mit den Dreharbeiten begonnen, als man das Gefühl hatte, die Herausforderungen und auch die Debatte - das war alles so groß! Und mir fehlte sehr dieser kleine Blick, dieser Blick, der auf den einzelnen gerichtet ist", erzählt Lenz im Gespräch mit Timo Grampes. "Ich hatte das Gefühl, dass ich über Kinder besonders gut das erzählen kann, was sich bei diesem Ankommen bündelt, bei diesem ersten Jahr in Deutschland."

Zwei Realitäten in Deutschland

Lenz kam ihren Protagonisten ganz nahe, filmte sie zu Hause und in der Schule. "Ich möchte eigentlich wissen, wie diese Menschen, die nach Deutschland gekommen sind - und dazu gehören natürlich auch die Kinder - wie die das wahrnehmen", sagt Lenz. Nicht nur über sie berichten, sondern ihre Geschichten erzählen. "Ich bin dann irgendwann zum Teil des Alltags geworden."
Während der ein Jahr dauernden Dreharbeiten erlebte Lenz dabei zwei Realitäten der deutschen Gesellschaft mit: Den sehr bemühten Ton der Willkommenskultur, aber auch die Eltern, die das Flüchtlingskind in der Klasse ihrer Kinder nicht vermissen würden. "Es gibt in meinem Film beides und ich versuche, da keine Antwort vorzugeben, sondern auch Dinge gegenüberzustellen, die dann den Zuschauer hoffentlich zum Nachdenken bringen."
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