Philosophie

Verzicht des Einzelnen für die Freiheit aller?

06:49 Minuten
Hellblaue Würfel liegen in Reihen auf einem Feld, in der Mitte sticht ein hellroter Würfel heraus.
Wie weit muss sich der Einzelne einschränken, damit die Freiheit aller möglich bleibt? © picture alliance / imageBROKER | Simone Brandt
Svenja Flaßpöhler im Gespräch mit Anke Schaefer  · 14.09.2021
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Corona und die Klimakrise haben eins gemeinsam: Sie stellen unsere Vorstellung von Freiheit in Frage. Es wird Zeit, nach einer neuen Bedeutung des Begriffs zu suchen, sagt die Philosophin Svenja Flaßpöhler.
Viele wünschen sich in diesen Tagen zurück in die "alte" Normalität, doch den meisten ist inzwischen klar: So wie "früher" wird es wohl nicht mehr. Wegen der Corona-Pandemie nicht, die weiterhin Einschränkungen erforderlich macht. Und auch wegen der Klimakrise nicht, die dringend ein Umdenken erfordert. Verzicht ist angesagt, gefühlt überall. Was wird also aus der Freiheit, wie wir sie kannten?

Das Individuelle und das Kollektive versöhnen

"Wir leben in einer Zeit, wo diese Werte allein nicht mehr tragen, weil die Welt extrem komplex wird", sagt Philosophin Svenja Flaßpöhler dazu. Sie wolle die alten Werte wie Selbstbestimmung und Mündigkeit sicher nicht leichtfertig preisgeben und sagen "die brauchen wir jetzt nicht mehr". Die Herausforderung sei vielmehr "etwas produktives Drittes hinzubekommen". Man müsse einen Weg finden, wie man das Individuelle und das Kollektive "in etwas Drittem aufhebt".

Die Gegenwart ist eine prekäre Zeit

Wenn es um die Betrachtung der Freiheit aller gehe, müsse man allerdings aufpassen und fragen, was genau damit gemeint sei, so Flaßpöhler: "Wer definiert denn, was die Freiheit aller ist? Was wollen wir denn alle?" Grundsätzlich gebe es bei der Beschränkung von individueller Freiheit immer die Gefahr von totalitären Tendenzen - das habe es, historisch betrachtet, immer wieder gegeben. "Deshalb sind wir gerade in einer sehr prekären Zeit, die natürlich auch diese ganzen Spaltungen und Polarisierungen hervorbringt."

Freiheit kann auch aus Beschränkung erwachsen

Vor allem im Zusammenhang mit der Impfdebatte sei die Definition von Freiheit eine ganz heikle Frage. "Die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper gehört zur Würde - deshalb finde ich es auch richtig, dass es keine Impfpflicht gibt", so die Philosophin. Andererseits scheine jetzt in der Corona-Krise nochmal eine ganz andere Bedeutung von Freiheit auf - in dem Sinne, dass man sich beschränken müsse, um Freiheit zu ermöglichen. "Die Freiheit ruht sozusagen auf der Beschränkung."
(ckü)
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