Pfingstfestival in Ettersburg

Tellkamp: "Ich stehe zu meinen Worten"

Uwe Tellkamp las auf Schloss Ettersburg ein Stück aus der Fortsetzung seines Romans "Der Turm" vor.
Uwe Tellkamp las auf Schloss Ettersburg ein Stück aus der Fortsetzung seines Romans "Der Turm" vor. © picture alliance / dpa-Zentralbild / Sebastian Kahnert
Von Henry Bernhard  · 27.05.2018
Gediegen bis provokant: Auf dem Pfingstfestival Schloss Ettersburg bei Weimar waren (rechts-)konservative Intellektuelle zu Gast. Der Direktor und thüringische Kulturpolitiker Peter Krause meint, dass diskursprägende Ideen zur Zeit eben nicht von links kämen.
Uwe Tellkamp war sichtlich nervös auf dem Pfingstfestival Schloss Ettersburg. Es war immerhin sein erster öffentlicher Auftritt nach dem Streitgespräch mit dem Lyriker Durs Grünbein im März in Dresden, in dem Tellkamp umstrittene Thesen zu Einwanderung und zur Meinungsfreiheit in Deutschland geäußert hatte. Eine Lesereise danach hatte er abgesagt. Nach Ettersburg aber kam er. Eingeladen von Peter Krause, der als äußerst umgänglicher, straff konservativer Kulturpolitiker in Thüringen bekannt ist.
"Der Dr. Krause ist mir empfohlen worden von Freunden. Und er war mutig genug, sich mit meinem Namen zu beflecken und das wollte ich nicht enttäuschen. Außerdem ist es ein wunderbarer Ort."

Gediegen bis provokant konservativ

In der Tat ist Ettersburg ein bezaubernder Ort erster Güte. Ein Sommerschloss mit berauschendem Blick in die Parklandschaft. Ein Musentempel, in dem schon Goethe, Wieland und Herder über Kunst und Kultur diskutiert, aber auch Theater gespielt haben. Ein Ort von Relevanz und Ambivalenz, meint der Schlossdirektor Peter Krause, denn auch das ehemalige KZ Buchenwald ist nur einen guten Kilometer entfernt. Krause verantwortet das Festivalprogramm, das man zumindest im politisch-literarischen Teil als gediegen bis provokant konservativ bezeichnen könnte.
Kulturpolitiker Peter Krause lädt nach Schloss Ettersburg bei Weimar.
Kulturpolitiker Peter Krause lädt nach Schloss Ettersburg bei Weimar.© Andreas Hultsch / dpa / picture alliance
"Ich merke schon, wo etwas Neues gedacht wird, wo etwas passiert, auch etwas enttabuisiert wird. Es geht nicht um Tagespolitik. Dass das Publikum das gelegentlich erwartet, das versuchen wir auch genauso regelmäßig zu brechen. Man könnte sagen, dass ich schon versuche: Wo sind Leute, Denker, Intellektuelle, die Diskurse im Moment prägen. Und die sind möglicherweise im Moment nicht links."
Die Autorinnen Sibylle Lewitscharoff und Thea Dorn waren da, und eben Uwe Tellkamp, der zum Leidwesen vieler Zuhörer nicht über Politik reden wollte, sondern über Literatur.* Er las ein Stück aus der Fortsetzung seines Romans "Der Turm", der noch im Entstehen ist.
"Inzwischen zirkulierte ein Couplet in der Trebischen Nachrichtenagentur, anonym, doch hatte ich einen Lyriker im Verdacht, IM Bolte, der schon mehrfach volltrunken zum Nachtdienst – er war Nachtredakteur – erschienen war und dann überwiegend irrelevante Nachrichten aus dem großen Nachrichtenstrom auswählte. Das Couplet lautete:
Die Zwillinge
Wieso können diese beiden
Löcher in den Sichtschutz schneiden?
Riecke-Racke, mit Geknacke
mahlen die Bemühungsmühlen
bis wir nichts als Liebe fühlen.
Auf dieses Couplet hatte wiederum IM Clown, ein der deutschen Kultur und exotischen Bühnenkünstlerinnen zugeneigter weiterer Nachtredakteur geantwortet:
Schaffst Du mich,
wenn wir das schaffen?
Sie sagen "Frieden",
meinen: "zu den Waffen!"

Uwe Tellkamp ist vorsichtig geworden

Der vertrackte Text zeigte, was Tellkamp kann, verwirrte die Zuhörer und ließ viele Fragen offen. Diese beantwortete er nicht, auf den Text verweisend und auch vorsichtig geworden nach der Diskussion mit Durs Grünbein in Dresden, die er dennoch als "gelungenen Selbstversuch" bezeichnete, da er im direkten Nachgang die Wirkweise der Massenmedien, aber auch der sozialen Medien perfekt studieren konnte.
"Nein, das bereue ich keineswegs. Und bis auf eine Aussage stehe ich auch zu meinen Worten, die sind recherchiert, man kann diese Zitate nachprüfen. Ich wußte, worauf ich mich einlasse und muss das jetzt ertragen."
Im Gespräch mit dem Journalisten Bernd Hilder erheiterte Henryk M. Broder das Publikum, teilte gewohnt flapsig nach allen Seiten, außer in Richtung AfD, aus und sagte eben dieser Partei eine Häutung voraus, in der sie sich von Extremisten am rechten Rand trennen würde. Broder warnte vor dem Islam, der immer politisch und raumgreifend daherkäme, aber auch vor einer geschlossenen Gesellschaft.
Der Publizist Henryk M. Broder
Der Publizist Henryk M. Broder© dpa / picture alliance / Erwin Elsner
"Ich habe ja auch nichts gegen Parallelgesellschaften, ganz im Gegenteil. Nur totalitäre, autoritäre Gesellschaften sind Mono-Gesellschaften. Fortschrittliche Gesellschaften haben immer Parallelgesellschaften. Parallelgesellschaft heißt ja nicht automatisch Gegengesellschaft."
Monika Maron verteidigte ihren neuen Roman "Minunin oder Chaos im Kopf", in dem sie mit einer Krähe, die nur ihre Ich-Erzählerin versteht, einen Dialog führt, in dem die Krähe das Recht der Natur über die Moral verteidigt und den Menschen Denkblockaden vorwirft. Dafür wird Maron vom deutschen Feuilleton kritisiert – umso mehr freute sie sich über die Einladung durch Peter Krause nach Ettersburg.

Monika Maron: Nicht aufhören, miteinander zu reden

"Er hat keine Angst, Leute einzuladen, die gerade durch die Zeitungen gejagt werden. Und das finde ich schön, denn wenn man aufhört miteinander zu reden oder auch den Stimmen, die man vielleicht nicht richtig findet, doch Gehör zu leihen und sich damit auseinanderzusetzen, dann ist es ja ganz schlimm."
Jan Fleischhauer vom "Spiegel", der auf überschaubarem Niveau die 68er mit den neuen Rechten verglich, zeigte sich mehr amüsiert als irritiert vom AfD-affinen Publikum, das in Teilen das baldige Ende des Rechtsstaats oder Deutschlands überhaupt befürchtete.
"Na ja gut, ich bin ja Anti-Apokalyptiker. Und das verbindet die radikale Linke, diese Art von Aufwallungen sind mir fremd."
Intellektuell anregend war das Ettersburger Pfingstfestival allemal. Mehr Kontroverse, mehr Gegenrede und weniger Stichwortgeben würde ihm dennoch sehr gut tun.

* In einer vorigen Version haben wir den Staatsrechtler Udo Di Fabio fälschlicherweise als Gast der Veranstaltung genannt.
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