Peters: Produktionsverlagerung ins Ausland erschweren
Der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters hat eine Verpflichtung der Unternehmen gegenüber ihren deutschen Standorten reklamiert, wenn diese Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Da die betroffenen Regionen über die Jahre viele Vorraussetzungen gerade in der Infrastruktur geschaffen hätten, müssten die Konzerne nach einer Stilllegung einen Beitrag für diese "verbrannte Erde" leisten, sagte Peters im Deutschlandradio Kultur.
Kolkmann: Haben Sie schon Antwort bekommen?
Peters: Nein, wir haben noch keine Antwort. Ich sehe ja auch ein, dass das ein längerer Prüfauftrag ist, weil es ja nicht nur darum geht, was hat die EU-Kommission direkt und unmittelbar an Mitteln zur Verfügung gestellt, sondern es soll auch gleichzeitig mit geprüft werden, was hat denn das Land, das aufnehmende Land für Bedingungen gesetzt, die auch mit den Regeln der Europäischen Union nicht in Einklang stehen. Und da denke ich, dass da noch einiges hochkommen wird.
Kolkmann: Gehen Sie davon aus, dass tatsächlich Subventionen aus anderen Töpfen bezogen wurden, um Arbeitsplätze in Deutschland zu vernichten, um das Ding beim Namen zu nennen?
Peters: Sehen Sie mal, wir haben die Befürchtung, dass in Europa - gewollt oder ungewollt - nicht nur Lohndumping sondern auch Steuerdumping breites Spielfeld hat. Da gibt es Zusagen an Unternehmen, wir haben das ja an dem Beispiel Siemens in Kamp-Lintfort erlebt, wo angeblich alte Zusagen des Staates für das neue Unternehmen aktiviert worden sind. Und dort sind Zusagen im Hinblick auf Steuererleichterung, Warenverkehr, et cetera, et cetera, Riesensummen, die letztendlich natürlich einen Standort für einen Investor attraktiv macht. Und dann zieht er die Produktion halt von einem anderen Standort ab, egalweg, wie viel dort die Öffentlichkeit investiert hat, zum Beispiel in die Infrastruktur, zum Beispiel in die Medienlandschaft et cetera. Und wir sagen, mit diesen Dingen muss jetzt mal irgendwo aufgeräumt werden.
Kolkmann: Ist dabei die Verlagerung von Arbeitsplätzen an billigere Standorte - und die sind ja meistens im Ausland - ist diese Entwicklung überhaupt zu stoppen?
Peters: Sicher nicht. Und das, was wir jetzt hier machen, ist möglicherweise der Tropfen auf den heißen Stein. Aber wir wollen uns einfach nicht nur fügen. Ich will aber dazu sagen, wir werden auch erleben, dass nicht jeder Arbeitsplatz in Deutschland entstehen kann, sondern durchaus auch im Ausland entstehen wird. Das ist ja soweit auch noch nicht einmal tragisch, wenn diese Investition im Ausland zur Markterschließung auch in der dortigen Region dient. Das heißt, wenn dort ein Wirtschaftskreis in Gang gesetzt wird, der in sich auch eine bestimmte Geschlossenheit hat, dann würde das bedeuten, dass wir sogar partizipieren können, indem wir bestimmte Zulieferungen machen oder in eine Arbeitsteilung, wir die und die anderen jene Produkte machen. Das ist alles soweit in Ordnung.
Wir sehen aber jetzt hier einen Trend, wo Unternehmen, die hier groß geworden sind, die hier auch mit dieser Belegschaft erst das Geld verdient haben, plötzlich glauben, rein rechnerisch durch vermeinthalben günstigere Löhne oder weniger Steuern oder bessere Zurverfügungstellung von anderen Dingen, zum Beispiel Energie, dass hier jetzt plötzlich wegen dieses Vorteils jemand sagt, dann schließ ich hier die Bude ab und gehe rüber und hole mir da noch die zusätzlichen Profite. Deshalb haben wir gesagt, dass kann nicht angehen, dass die Gewinne hier privatisiert werden und die in Folge der Unternehmensentscheidung dann entstehenden Kosten sozialisiert werden. Das macht ja wenig Sinn. Hier muss man heran gehen.
Kolkmann: Aber wie wollen Sie daran gehen? Sie fordern so etwas wie eine Abgabe bei Produktionsverlagerung. Könnte es da sein, dass Ihnen diejenigen, die so etwas zu beschließen haben, nämlich die Parlamentarier in Berlin, einen Vogel zeigen?
Peters: Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass wir mit dieser Verlagerungsabgabe einen Stein ins Wasser geworfen haben, wo jeder jetzt mal darüber nachdenken muss: Können wir es den Unternehmen so leicht machen? Wir haben hier vieles gemacht, dass die Unternehmen sich ansiedeln können, viele Voraussetzungen geschaffen, haben eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt, et cetera. Und hier sind die Unternehmen groß geworden. Und wenn die nun gehen, dann haben sie auch eine Verpflichtung. Und ich glaube, dass wir über die Verpflichtung von Unternehmen in einer Region zu reden haben. Es ist ja immer noch ein Grundgesetz in Kraft, in dem es heißt, Eigentum verpflichtet. Dort heißt es nicht, Eigentum verpflichtet zu nichts. Sondern hier müssen wir die Verpflichtung der Eigentümer auch ein wenig präzisieren.
Was erwarten wir, wenn hier eine Stilllegung unabwendbar wäre? Was ist dann der Beitrag des Unternehmens für diese verbrannte Erde? Denn letztendlich sind die Arbeitsplätze weg, die Leute leben aber in der Region und sind darauf angewiesen, Arbeit zu haben. Der Staat ist darauf angewiesen, dass die Leute Arbeit haben, damit sie auch Steuern und Abgaben zahlen können. Und das ist ein Riesenkreislauf, und da wollen wir nicht, dass nur einige Wenige Nutznießer sind.
Kolkmann: Die Tarifrunde in der Metallindustrie läuft ja in den verschiedenen Bezirken. Morgen zum Beispiel wird weiterverhandelt in Baden-Württemberg. Da hat ja der Arbeitgeberpräsident Manfred Kannegießer schon gesagt, diese Warnstreiks seien nichts als unzeitgemäße Folklore und sie sollten das mal lassen. Außerdem fünf Prozent mehr Lohn das könne sich die Stahlindustrie nicht leisten. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie sagen, das kann sich die Stahlindustrie doch leisten. Wo aber liegt denn da eine Möglichkeit der Einigung, wenn die Stahlindustrie so viele Möglichkeiten hat, raus zu gehen. Pardon, Metallindustrie.
Peters: Sehen Sie einmal, dass das Gejammer zum Ritual der Arbeitgeber gehört, daran haben wir uns gewöhnt. Dass die uns jedes Mal, wenn die Tarifrunde kommt, dunkle Wolken am Himmel anmalen, das ist auch eine Sache, die jetzt langsam schon peinlich wird.
Ich will einmal ein paar Fakten sagen: Erstens, der Metall- und Elektroindustrie durch die Bank geht es gut. Einige haben sogar so dicke Gewinne, dass sie nach außen damit prahlen. Zweitens, fast überall haben sich die Vorstände durchaus bedient, weil sie sagen, diese gute Leistung, die hier erbracht worden ist, die muss auch bei uns im Portemonnaie klingeln. Das Gleiche beanspruchen wir für unsere Kolleginnen und Kollegen. Drittens, die Kosten für Löhne, Gehälter, Ausbildungsvergütung waren noch nie so niedrig wie jetzt. Sie sind gesunken von ungefähr 24 Prozent auf 17,4 Prozent. Wir haben es genau gerechnet - 17,4 Prozent. Wenn wir auf diese Kosten, auf diese Personalkosten jetzt fünf Prozent Erhöhung rechnen, fünf Prozent auf die 17,4 bedeutet, dass eine tatsächliche Kostenerhöhung von 0,88 Prozent diese Unternehmen belasten würde.
Und wenn da einer sagt, dieserhalb gehen die Unternehmen kaputt, da kann ich also nicht mehr mithalten. Alleine wenn die Energiepreise einmal in den Blick genommen werden, da ist ein Vielfaches von Erhöhungen passiert, und kein Unternehmen ist deswegen kaputt gegangen. Also die sollen mal mit dieser alten Mär aufhören. Die Leute brauchen Geld. Und wenn die Leute Geld haben, dann kaufen sie auch wieder etwas. Wenn wieder gekauft wird, hat das Unternehmen auch eine Perspektive, eine höhere Produktion wieder in Gang zu setzen mit mehr Leuten, mit mehr Beschäftigung. Das ist die Logik, die wir verfolgen.
Kolkmann: Vielen Dank, Jürgen Peters.
Peters: Nein, wir haben noch keine Antwort. Ich sehe ja auch ein, dass das ein längerer Prüfauftrag ist, weil es ja nicht nur darum geht, was hat die EU-Kommission direkt und unmittelbar an Mitteln zur Verfügung gestellt, sondern es soll auch gleichzeitig mit geprüft werden, was hat denn das Land, das aufnehmende Land für Bedingungen gesetzt, die auch mit den Regeln der Europäischen Union nicht in Einklang stehen. Und da denke ich, dass da noch einiges hochkommen wird.
Kolkmann: Gehen Sie davon aus, dass tatsächlich Subventionen aus anderen Töpfen bezogen wurden, um Arbeitsplätze in Deutschland zu vernichten, um das Ding beim Namen zu nennen?
Peters: Sehen Sie mal, wir haben die Befürchtung, dass in Europa - gewollt oder ungewollt - nicht nur Lohndumping sondern auch Steuerdumping breites Spielfeld hat. Da gibt es Zusagen an Unternehmen, wir haben das ja an dem Beispiel Siemens in Kamp-Lintfort erlebt, wo angeblich alte Zusagen des Staates für das neue Unternehmen aktiviert worden sind. Und dort sind Zusagen im Hinblick auf Steuererleichterung, Warenverkehr, et cetera, et cetera, Riesensummen, die letztendlich natürlich einen Standort für einen Investor attraktiv macht. Und dann zieht er die Produktion halt von einem anderen Standort ab, egalweg, wie viel dort die Öffentlichkeit investiert hat, zum Beispiel in die Infrastruktur, zum Beispiel in die Medienlandschaft et cetera. Und wir sagen, mit diesen Dingen muss jetzt mal irgendwo aufgeräumt werden.
Kolkmann: Ist dabei die Verlagerung von Arbeitsplätzen an billigere Standorte - und die sind ja meistens im Ausland - ist diese Entwicklung überhaupt zu stoppen?
Peters: Sicher nicht. Und das, was wir jetzt hier machen, ist möglicherweise der Tropfen auf den heißen Stein. Aber wir wollen uns einfach nicht nur fügen. Ich will aber dazu sagen, wir werden auch erleben, dass nicht jeder Arbeitsplatz in Deutschland entstehen kann, sondern durchaus auch im Ausland entstehen wird. Das ist ja soweit auch noch nicht einmal tragisch, wenn diese Investition im Ausland zur Markterschließung auch in der dortigen Region dient. Das heißt, wenn dort ein Wirtschaftskreis in Gang gesetzt wird, der in sich auch eine bestimmte Geschlossenheit hat, dann würde das bedeuten, dass wir sogar partizipieren können, indem wir bestimmte Zulieferungen machen oder in eine Arbeitsteilung, wir die und die anderen jene Produkte machen. Das ist alles soweit in Ordnung.
Wir sehen aber jetzt hier einen Trend, wo Unternehmen, die hier groß geworden sind, die hier auch mit dieser Belegschaft erst das Geld verdient haben, plötzlich glauben, rein rechnerisch durch vermeinthalben günstigere Löhne oder weniger Steuern oder bessere Zurverfügungstellung von anderen Dingen, zum Beispiel Energie, dass hier jetzt plötzlich wegen dieses Vorteils jemand sagt, dann schließ ich hier die Bude ab und gehe rüber und hole mir da noch die zusätzlichen Profite. Deshalb haben wir gesagt, dass kann nicht angehen, dass die Gewinne hier privatisiert werden und die in Folge der Unternehmensentscheidung dann entstehenden Kosten sozialisiert werden. Das macht ja wenig Sinn. Hier muss man heran gehen.
Kolkmann: Aber wie wollen Sie daran gehen? Sie fordern so etwas wie eine Abgabe bei Produktionsverlagerung. Könnte es da sein, dass Ihnen diejenigen, die so etwas zu beschließen haben, nämlich die Parlamentarier in Berlin, einen Vogel zeigen?
Peters: Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass wir mit dieser Verlagerungsabgabe einen Stein ins Wasser geworfen haben, wo jeder jetzt mal darüber nachdenken muss: Können wir es den Unternehmen so leicht machen? Wir haben hier vieles gemacht, dass die Unternehmen sich ansiedeln können, viele Voraussetzungen geschaffen, haben eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt, et cetera. Und hier sind die Unternehmen groß geworden. Und wenn die nun gehen, dann haben sie auch eine Verpflichtung. Und ich glaube, dass wir über die Verpflichtung von Unternehmen in einer Region zu reden haben. Es ist ja immer noch ein Grundgesetz in Kraft, in dem es heißt, Eigentum verpflichtet. Dort heißt es nicht, Eigentum verpflichtet zu nichts. Sondern hier müssen wir die Verpflichtung der Eigentümer auch ein wenig präzisieren.
Was erwarten wir, wenn hier eine Stilllegung unabwendbar wäre? Was ist dann der Beitrag des Unternehmens für diese verbrannte Erde? Denn letztendlich sind die Arbeitsplätze weg, die Leute leben aber in der Region und sind darauf angewiesen, Arbeit zu haben. Der Staat ist darauf angewiesen, dass die Leute Arbeit haben, damit sie auch Steuern und Abgaben zahlen können. Und das ist ein Riesenkreislauf, und da wollen wir nicht, dass nur einige Wenige Nutznießer sind.
Kolkmann: Die Tarifrunde in der Metallindustrie läuft ja in den verschiedenen Bezirken. Morgen zum Beispiel wird weiterverhandelt in Baden-Württemberg. Da hat ja der Arbeitgeberpräsident Manfred Kannegießer schon gesagt, diese Warnstreiks seien nichts als unzeitgemäße Folklore und sie sollten das mal lassen. Außerdem fünf Prozent mehr Lohn das könne sich die Stahlindustrie nicht leisten. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie sagen, das kann sich die Stahlindustrie doch leisten. Wo aber liegt denn da eine Möglichkeit der Einigung, wenn die Stahlindustrie so viele Möglichkeiten hat, raus zu gehen. Pardon, Metallindustrie.
Peters: Sehen Sie einmal, dass das Gejammer zum Ritual der Arbeitgeber gehört, daran haben wir uns gewöhnt. Dass die uns jedes Mal, wenn die Tarifrunde kommt, dunkle Wolken am Himmel anmalen, das ist auch eine Sache, die jetzt langsam schon peinlich wird.
Ich will einmal ein paar Fakten sagen: Erstens, der Metall- und Elektroindustrie durch die Bank geht es gut. Einige haben sogar so dicke Gewinne, dass sie nach außen damit prahlen. Zweitens, fast überall haben sich die Vorstände durchaus bedient, weil sie sagen, diese gute Leistung, die hier erbracht worden ist, die muss auch bei uns im Portemonnaie klingeln. Das Gleiche beanspruchen wir für unsere Kolleginnen und Kollegen. Drittens, die Kosten für Löhne, Gehälter, Ausbildungsvergütung waren noch nie so niedrig wie jetzt. Sie sind gesunken von ungefähr 24 Prozent auf 17,4 Prozent. Wir haben es genau gerechnet - 17,4 Prozent. Wenn wir auf diese Kosten, auf diese Personalkosten jetzt fünf Prozent Erhöhung rechnen, fünf Prozent auf die 17,4 bedeutet, dass eine tatsächliche Kostenerhöhung von 0,88 Prozent diese Unternehmen belasten würde.
Und wenn da einer sagt, dieserhalb gehen die Unternehmen kaputt, da kann ich also nicht mehr mithalten. Alleine wenn die Energiepreise einmal in den Blick genommen werden, da ist ein Vielfaches von Erhöhungen passiert, und kein Unternehmen ist deswegen kaputt gegangen. Also die sollen mal mit dieser alten Mär aufhören. Die Leute brauchen Geld. Und wenn die Leute Geld haben, dann kaufen sie auch wieder etwas. Wenn wieder gekauft wird, hat das Unternehmen auch eine Perspektive, eine höhere Produktion wieder in Gang zu setzen mit mehr Leuten, mit mehr Beschäftigung. Das ist die Logik, die wir verfolgen.
Kolkmann: Vielen Dank, Jürgen Peters.