Peter Saul in der Schirn Kunsthalle

Die Schattenseite des American Dream

Die Ölgemälde (l-r) "Super Crime Team (1961/62)" und "Superman and Superdog in Jail (1963)" des US-amerikanischen Künstlers Peter Saul werden am 01.06.2017 in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main (Hessen) gezeigt.
Die Ölgemälde (l-r) "Super Crime Team (1961/62)" und "Superman and Superdog in Jail (1963)" des US-amerikanischen Künstlers Peter Saul werden am 01.06.2017 in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main (Hessen) gezeigt. © Deutschlandradio / Arne Dedert
Von Rudolf Schmitz · 02.06.2017
Er gilt als der Erfinder des Bad Painting. Der US-Amerikaner Peter Saul ist von Zustimmung nie verwöhnt worden. "Stinkbomben am Eingang zum Tempel der hohen Kunst" nannte ein Kritiker seine Bilder. Die Frankfurter Schirn Kunsthalle zeigt eine europaweit erste Retrospektive.
Es kam mir nie in den Sinn, dass man Bildern zustimmen muss. Auf alten Gemälden, da kriegen Leute den Kopf abgeschnitten usw. Da muss man nicht einverstanden sein, man muss einfach nur hingucken.
Von Zustimmung ist Peter Saul nie verwöhnt worden. Mehr als zwei museale Einzelausstellungen hat er in seinem Künstlerleben nicht gehabt. Seine Malerei lag immer quer zum Zeitgeist. Für die Pop Art war sie zu politisch und zu sarkastisch, in den Zeiten der Minimal und Concept Art kamen diese Tortenschlachten schon mal gar nicht in Frage. In den 1980er Jahren galt das Interesse den jungen Malerstars, die sein Bad Painting zum Vorbild genommen hatten. Dabei sind die frühen Fünfziger- und Sechzigerjahre, mit denen die Schirn Kunsthalle die Ausstellung eröffnet, einfach nur grandios zu nennen: weit geöffnete, überbordende Kühlschränke als Bühne für die Kalamitäten des amerikanischen Alltags, für Sex, Mord, Drogen, Rassendiskriminierung. Eine aus maßlosen Übertreibungen bestehende Comicsprache, teilweise in köstlichen Pastellfarben à la Willem de Kooning. Von 1956 bis 1965 lebte Peter Saul in Europa – in Amsterdam, Paris und Rom – und wunderte sich als erfolgloser Maler über den Siegeszug des amerikanischen Abstrakten Expressionisten.
Überall Bücher mit de Kooning auf dem Umschlag, das war Paris, 1958. Er war überall. Und so malte ich dann auf ähnliche Weise und jeder mochte es. Ich habe dann nur die ganzen Dinge eingefügt, um der Sache Biss zu geben. Ich wollte nicht einfach nur als Künstler geliebt werden.

Bilder, so obszön wie der Krieg selbst

Zurück in Kalifornien, setzte sich Peter Saul gleich ins Wespennest: mit seinen Vietnam-Bildern. Da werden in einer unbeschreiblichen Durchdringung von Formen und Figuren vollbusige vietnamesiche Frauen gekreuzigt, gefoltert, erniedrigt, vergewaltigt. Diese Bilder sind genau so obszön wie der Krieg selbst.
Die Ablehnung durch die Kunstwelt war total. Nicht aus Geschmacksgründen, sondern wegen des Stils. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, aber die Künstler, ihre Freunde, die Kritiker, jeder, der in einem Museum oder einer Galerie arbeitete – alle waren sehr strikt, man sollte an die Ideen der Kunst glauben, daran mitbasteln. Ich hielt das alles für Unsinn und war froh, einen Kunsthändler gefunden zu haben, der zu mir hielt. Zumindest teilweise.
Peter Sauls Malstil wird immer perfekter, immer plakativer, die Motive immer schräger, als sei man im Studio eines durchgedrehten Tätowierers gelandet. Der Maler lässt kein heißes Eisen aus, der Prozess gegen Angela Davis kommt genau so dran wie die erzkonservative Regentschaft von Ronald Reagan als Gouverneur von Kalifornien. Die Reaktion auf diese amerikakritischen LSD-Bilder bleibt ablehnend. Sogar Underground-Comiczeichner wie Robert Crumb waren da keine Ausnahme.
Sogar Robert Crumb war negativ. Schon merkwürdig, aber Politik langweilte die meisten Leute. Bitte, keine Politik.
Peter Saul hat sich immer als Linker verstanden, und das sei er auch heute noch. Nach dem derzeit regierenden US-Präsidenten gefragt, blitzen seine Augen kampfeslustig. Den habe er sich grade vorgenommen, auf zwei Riesenformaten, die im Herbst in der New Yorker Galerie Mary Boone gezeigt würden.
Als Sujet ist er großartig. Aber schwierig zu machen, weil gerade schätzungsweise 10.000 Leute dabei sind, Trump zu malen. In Bezug auf Politik, Sex und Geld ist er völlig aufgebraucht. Ich werde also mein Bewusstsein schweifen lassen, einen Bewusstseinsstrom-Trump malen. Hoffentlich klappt's, wir werden sehen.

Spucken auf den guten Geschmack

Mit der Retrospektive von Peter Saul ist der Frankfurter Schirn Kunsthalle ein großer Streich gelungen. Das Frühwerk ist großartig, der perfektionierte Stil der späteren Jahre geht einem quer runter. Das wirkt wie Spritzpistole, ist aber akribisch gemalt und präzise geplant. Vielleicht könnte man sagen: Peter Saul ist seinem Ursprungsimpuls, auf den guten Geschmack zu spucken, immer treu geblieben. Auf jeden Fall ist diese Schau ein Erlebnis. Auch wenn man dabei eine Magen- und Augenverstimmung riskiert.

Ausstellung "Peter Saul"
2. Juni - 3. September 2017
Frankfurter Schirn

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