Peter Handke und die Serben

"Wie der Elefant im Porzellanladen"

08:30 Minuten
Peter Handke, Željka Cvijanović und Milorad Dodik (von links) stehen beisammen während Handke eine Ehrung überreicht bekommt.
Zweifelhafte Ehrung: Peter Handke (links) erhält von Željka Cvijanović (Präsidentin der Republika Srpska) und Milorad Dodik (Vorsitzender des Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina) den höchsten Orden der Republika Srpska. © imago-images / Pixsell / Dejan Rakita
Jörg Magenau im Gespräch mit Johannes Nichelmann · 21.05.2021
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Nicht alle Tage schreibt ein Nobelpreisträger einen Leserbrief. Das tat Peter Handke als Replik auf einen FAZ-Artikel zu seiner Reise nach Serbien und in die Republika Srpska. Der Literaturkritiker Jörg Magenau nennt ihn einen "romantischen Träumer".
Literaturnobelpreisträger Peter Handke nahm vor knapp zwei Wochen persönlich hohe Ehrungen sowohl der Republika Srpska als auch Serbiens ebendort entgegen. Der FAZ-Balkan-Korrespondent Michael Martens verfasste dazu einen kritischen Artikel, auf den Handke mit einem von der Zeitung veröffentlichten Leserbrief antwortete.
Der Literaturkritiker Jörg Magenau betont, dass es bemerkenswert sei, dass Handke in der Republika Srpska, dem serbischen Teil der Republik Bosnien und Herzegowina, einen Preis akzeptiert habe, den auch die Kriegsverbrecher Ratko Mladić und Radovan Karadžić erhalten haben.

Der blinde Fleck des Peter Handke

Außerdem sei FAZ-Autor Martens durchaus berufen, Handkes Entgegennahme des Ivo Andrić-Preises in Serbien zu kommentieren. Martens sei schließlich Verfasser einer Andrić-Biographie und Herausgeber von dessen Tagebuch-Skizzen "Insomnia". In seinem Artikel kritisiere Martens zudem auch Handkes Entgegennahme des Karadjordje-Preises in Belgrad, weil dieser sich damit in eine "rechtskonservative serbisch-nationalistische Ecke" stelle.
Handke habe daraufhin in seinem Leserbrief "für seine Verhältnisse sehr zurückhaltend" mit ein paar Anmerkungen und Ergänzungen geantwortet, sagt Magenau. Handke berufe sich auch auf Unwissenheit, indem er anmerke, dass er nur wegen des Andrić-Preises gereist sei, und das andere "sozusagen hinter seinem Rücken" geschehen sei. "Zu der großserbischen Propaganda und der Nähe zu den Kriegsverbrechern, in die er damit gerückt wurde, sagt er nichts."
Genau das sei Handkes "blinder Fleck", sagt Magenau. "Er ist ja selber kein Nationalist. Und wer sein Werk kennt, der findet darin keine Zeile, die in diese Richtung geht. Er ist ja ein eher zurückhaltender, sanfter, naturliebender, introvertierter Autor und wie er politisch agiert, steht dazu in einem ziemlichen Widerspruch. Aber er nimmt die Nähe zu den serbischen Nationalisten in Kauf", sagt Magenau.

Ein politisch naiver Literaturnobelpreisträger

Stattdessen habe er in seinem Leserbrief darauf verwiesen, falsch und unvollständig zitiert worden zu sein, denn er habe in seiner Dankesrede zum Ivo Andrić-Preis den multiethnischen Charakter und das Gemeinschaftliche des untergegangenen Jugoslawiens betont.
Handke sei politisch naiv, sagt Magenau. "Er ist ein sentimentaler, romantischer Träumer, der die Idee Jugoslawiens verteidigt. Das zieht sich durch seit seinen frühen Artikeln aus den 90er-Jahren. Das waren keine politischen Invektiven, sondern eher eine Haltung, eine Empfindung. Als Schriftsteller ist man ja auch immer in dem, was man sieht und wahrnimmt, ein anderer als ein politisch argumentierender Mensch."
Und das sei Handkes Problem, meint Magenau. "Dass er da auf etwas zielt, was er politisch nicht einordnen kann. Das ist seine ganz persönliche Tragik, dass er eigentlich etwas ganz anderes will als das, wohin er politisch gerät. Das ist immer wieder der Fall, seit 20 Jahren, dass Handke blind und tollwütig etwas verteidigt, was sich nicht verteidigen lässt, gleichzeitig aber für etwas einsteht, was bei den Leuten, mit denen er verkehrt, in keinster Weise zu holen ist, nämlich multiethnisches, gemeinschaftliches Zusammenleben in einem Vielvölkerstaat. Das ist das, was er eigentlich betrauert. Und diese Trauer macht ihn blind für die politische Gegenwart."
Die Frage sei letzlich, was man Handke durchgehen lasse und wie sehr sein Werk davon beschädigt werde, sagt Magenau. "Ich hoffe, dass man Handke trotzdem liest, weil seine Literatur in eine ganz andere Richtung zielt als das, was er politisch blind immer wieder kaputtmacht wie der Elefant im Porzellanladen. Ein Autor ist immer in erster Linie an seinem Werk zu messen. Denn das Werk ist größer als die Person."
(rja)
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