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Deutscher Schwimmverband
Leidenschaft und Teamwork

Die große Zeit der deutschen Schwimmer ist Geschichte. Das soll sich aber wieder ändern. Der deutsche Schwimmverband verfolgt anderthalb Jahre vor Olympia ein neues Konzept. Da heißt es: "Mehr Leidenschaft und Teamwork". Höchste Zeit, denn der deutsche Leistungssport ist seit Jahren auf Amateurniveau.

Von Frauke Hain | 16.02.2019
    Der Rückenschwimmer Christian Diener im Becken.
    Rückenschwimmer Christian Diener (dpa / Michael Kappeler )
    Nach dem Startsprung in den Pool gleitet er einige Sekunden unter Wasser. Christian Diener. Der Routinier. 25 Jahre alt. Sportsoldat. In Rio 2016: Finalteilnahme über 200 m Rücken. Und er hat nur ein Ziel im Kopf: "Natürlich will ich Tokio noch mitnehmen. Ich springe jeden Tag ins Wasser, habe Konzentration von über 100% zu meinem Training hin und versuche, immer mein Bestes zu geben."
    Und von Christian Diener wird einiges erwartet. Mit Druck hat er aber kein Problem:
    "Eigentlich nicht. Ich habe eigentlich jedes Jahr gute Leistungen gebracht. Wenn die immer nach Medaillen rechnen – tut es mir leid. Dann geht auch der Sport unter, würde ich sagen."
    Langsame Steigerung bis Olympia
    Die WM im Sommer wird die Bewährungsprobe für Olympia. Trainer Jörg Hoffmann sieht Potential bei den deutschen Schwimmern und warnt vor zu hohen Erwartungen: "Also ich denke, man sollte nicht erwarten, dass hier was ganz großes explodiert in den nächsten anderthalb Jahren. In Glasgow bei der EM haben sich ein paar Sachen ganz positiv dargestellt."
    Fünf deutsche Rekorde und acht Medaillen – eine davon für Christian Diener mit der Vier-mal-100-Meter-Lagenstaffel. Das neue Konzept des Schwimmverbandes kennt der Stützpunkttrainer erst seit wenigen Wochen. Gewünscht sind hoch motivierte Sportler, mehr Leidenschaft und Teamwork.
    "Wir haben bislang nicht das Gefühl, dass wir groß was umändern müssen. Weil das wäre natürlich anderthalb Jahre vor Olympia ein Desaster – ne Katastrophe."
    Hoffmann ist der Meinung, dass sich der deutsche Leistungssport komplett neu finden muss. Weg vom Amateurstatus.
    "Die machen ganz normal ihre Schule nebenbei, die trainieren dabei noch fünf Stunden. Das ist ein Wochenpensum, was kein normaler Bürger auf sich nehmen würde. Und unser Nachwuchs dadurch auch wegbricht."
    Teamwork als Potenzial
    Neben Christian Diener schwimmt der Youngster – Melvin Imoudu – 20 Jahre alt: "Ich habe oft Probleme mit der Motivation."
    Im vergangenen Jahr hat Imoudu bei den deutschen Meisterschaften die deutsche Brustschwimmelite düpiert. Er scheint tiefentspannt:
    "Druck spüre ich nicht unbedingt. Für mich geht es überhaupt darum, die Quali-Zeiten zu schaffen. An Medaillen denke ich da überhaupt noch gar nicht."
    Trainer Jörg Hoffmann beobachtet seinen Schützling ganz genau und sieht Fortschritte. Internationale Wettkampferfahrung fehlt dem fast zwei Meter großen Brustschwimmer aber noch. Dann wird der Druck von außen größer: "WM-Glückstreffer, aber für Tokio sehr großes Potenzial."
    Für Olympia muss die Leistung stabil und solide sein, so wie bei Christian Diener: "Christian ist da ne ganz andere Liga. Je größer der Druck wird und je größer die Wettkampfatmosphäre, umso mehr Adrenalin schießt bei dem ein. Das ist ne ganz große Stärke von ihm."
    Es hat für Jörg Hoffmann Jahre gedauert, herauszufinden, wie die Jungs ticken – wie sie zu führen sind mit ihren Stärken und Schwächen. So läuft erst mal alles weiter wie bisher. Und einen Joker hat Hoffmann: Die Vier-mal-100-Meter-Lagenstaffel hat zurzeit das größte Potenzial und das ist Teamwork.