Paulus Hochgatterer: "Fliege fort, fliege fort"

Kettensägen und Katzenfutter

02:51 Minuten
Das Cover des Kriminalromans "Fliege fort, fliege fort" von Paulus Hochgatterer
"Fliege fort, fliege fort" ist ein weiterer Furth-am-See-Roman von Paulus Hochgatterer. © Deuticke Verlag
Von Sonja Hartl · 22.11.2019
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Paulus Hochgatterer erzählt in "Fliege fort, fliege fort", wie das Böse eine österreichische Idylle unterwandert. Gelungen ist ihm ein fein gesponnener, kluger, mitunter komischer Kriminalroman.
Beunruhigende Dinge ereignen sich in dem beschaulichen österreichischen Ort Furth am See: Ein Kind wird entführt. Ältere Menschen werden brutal angegriffen und behaupten hinterher, dass es ein Unfall war. Außerdem taucht an der Fassade des Hauses eines einflussreichen Mannes ein kunstvolles Graffiti auf, das ein rechter Politiker zum Anlass nimmt, gegen die jugendlichen Geflüchteten zu hetzen, die in der sogenannten "Burg" untergebracht sind.

Ein fließendes Zusammenspiel

Es passiert also einiges in Furth am See, das ebenso fiktiv wie typisch österreichisch ist – aber Paulus Hochgatterer gelingt es in "Fliege fort, fliege fort", all diese Ereignisse in ein fließendes, nahezu selbstverständliches Zusammenspiel zu bringen. Zwei Männer sind mit diesen Vorkommnissen vor allem beschäftigt. Sie sind aus Hochgatterers vorherigen Furth-am-See-Romanen "Die Süße des Lebens" und "Das Matratzenhaus" bekannt, werden einander aber hier nie begegnen.
Zum einen der Psychiater Raffael Horn, der die älteren Patienten befragt, die im Krankenhaus mit brutalen Verletzungen auftauchen, und sich zugleich um seinen Sohn sorgt: "Es geht nichts über Kinder, dachte er, man rackert sich für sie ab, man sorgt sich, man macht sich dreckig, und zum Dank dafür reden sie erst monatelang nichts mit einem und dann fragen sie nach Kettensägen und Katzenfutter."
Zum anderen der Kommissar Ludwig Kovacs, der die Entführung aufklären und die Graffiti-Künstler ermitteln soll – und sich in der Badewanne liegend fragt, "wie es passieren konnte, dass einige wenige Menschen die Stimmung in einem Land völlig veränderten".

Erschütternde Wahrheiten

"Fliege fort, fliege fort" ist ein kunstvoller, ungemein gegenwärtiger Roman, in dem Hochgatterer das Geschehen langsam aus verschiedenen Perspektiven entfaltet. Bei Kriminalromanen wird oft das Bild eines Puzzles bemüht, das man zusammensetzen müsse – und auf kaum einen Schriftsteller passt diese Beschreibung so gut und so gut wenig wie auf Paulus Hochgatterer. Auch in "Fliege fort, fliege fort" muss man die einzelnen Teile zusammensetzen, ergeben sich durch Beobachtungen, Einsichten und Gedanken der Figuren erschütternde Wahrheiten.
Doch am Ende entsteht kein konsistentes, bis ins Detail stimmiges Bild. Vielmehr reiben sich die Kanten der einzelnen Teile, sie passen nicht ganz, manche Ränder bleiben unscharf. "Wenn das Böse tot ist, ist es möglicherweise nicht weg" heißt es am Ende – und genau darin liegt der Clou dieses fein gesponnenen, klugen, mitunter komischen Kriminalromans, in dem sich Hochgatterer abermals als sehr genauer Beobachter von persönlichen und gesellschaftlichen Dynamiken erweist.

Paulus Hochgatterer: "Fliege fort, fliege fort"
Deuticke, Wien 2019
288 Seiten, 23 Euro

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