Paula Irmschlers Poproman "Superbusen"

Chemnitz als Sehnsuchtsort

05:32 Minuten
Buchcover: "Paula Irmschler: "Superbusen"
"Superbusen" von Paula Irmschler breche mit den gängigen Klischees von Popliteratur, sagt Juliane Reil. © Ullstein
Juliane Reil im Gespräch mit Britta Bürger · 06.04.2020
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Naziaufmärsche, rechte Gewalt, Fremdenhass: Das Image von Chemnitz in den Medien ist oft düster. Nun zeichnet Paula Irmschler in "Superbusen" ein anderes Bild der Stadt - mit Gisela als Hauptfigur, die dort studiert und eine Band gründet.
Gisela ist als Tochter einer alleinerziehenden Mutter in prekären Verhältnissen in Dresden aufgewachsen. Sie geht mit Anfang 20 zum Studium nach Chemnitz, lernt dort starke Frauen kennen, skizziert Musikjournalistin Juliane Reil den Rahmen für Paula Irmschlers Roman "Superbusen".
Gisela gründet mit ihren Mitstreiterinnen eine Band - und zwar mit dem titelgebenden Namen "Superbusen": für die Frauen das beste 80er-Jahre-Wort, noch vor "Popsternchen". Der Roman sei vor allem Popliteratur, sagt Juliane Reil. Die Geschichte spiele aber nicht in einer Hipstermetropole wie New York oder Berlin, sondern im Hinterland Chemnitz.
"Es geht um normale Menschen, normale Dinge, das ist überhaupt nicht abgehoben. Das ist sehr erfrischend", erklärt sie. Gisela als Hauptfigur sei "uneitel, selbstkritisch und ironisch" - und damit das Gegenteil eines selbstmitleidigen Hipsters.

"Ein sehr differenziertes Bild der Stadt"

Und wie schaut Paula Irmler auf Chemnitz? "Ich finde, das ist ein sehr differenziertes Bild der Stadt, das sie da zeichnet", sagt Juliane Reil. Sie beschönige nichts und schreibe, dass die Stadt der Bahn nicht mal einen IC-Anschluss wert sei. Außerdem sei der Roman politisch. Gisela setze sich mit Nazis und der Antifa auseinander. Die Protagonistin selbst habe es mit Nazis zu tun. "Aber gleichzeitig gibt die Stadt Gisela Freiraum, und sie findet ihre Leute", so die Musikjournalistin.
Reil ergänzt: "Chemnitz wird zu einer Art Sehnsuchtsort in doppelter Hinsicht. Einerseits zieht es Gisela dorthin. Aber wenn sie da ist, zieht es sie auch wieder fort. Und diese Ambivalenz, diese Zerrissenheit, die wird toll in dem Roman beschrieben. Und das, was mir besonders gut gefällt, ist, dass Paula Irmschler mit ihrem Roman einen Gegenwartsbezug hinbekommt. Sie schreibt in Rückblenden."
Als Gisela schon nicht mehr fest in Chemnitz lebt, kehrt sie nur noch für ein Wochenende zurück und kann eben auch über so ein Konzert wie "Wir sind mehr" reflektieren. 2018 setzten Musikstars in Chemnitz mit dem Konzert ein Zeichen gegen rechts, nachdem zuvor die Stadt Schlagzeilen mit Naziaufmärschen gemacht hatte.

Band mit DIY-Attitüde

Giselas Band im Roman habe eine Do-it-Yourself-Attitude - mit ungelenken lustigen Texten, die auch im Buch abgedruckt seien, erklärt Juliane Reil. Bei den Auftritten von Superbusen stehen dann wissende fachsimpelnde Männer im Publikum, die sich produzieren und ihre Sprüche reißen.
So bildeten sich literarisch wieder die - wohl wahren - Klischees der Popwelt ab, sagt Juliane Reil. Der Roman "Superbusen" breche aber mit den gängigen Klischees von Popliteratur.
(mhn)
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